Stationen

Donnerstag, 28. Februar 2013

Michael Naumann


"Mittlerweile ist es kaum noch möglich, einem Idioten zu begegnen, der nicht intelligent ist oder einem intelligenten Menschen, der kein Idiot ist. Aber an intelligenten Menschen herrschte ja immer Mangel, und so befällt uns heute jedes Mal eine gewisse Wehmut, eine gewisse Nostalgie, wenn man einem gepanschten, umgemünzten, geklitterten Idioten begegnet. Auch die Dummköpfe sind nicht mehr das, was sie einmal waren. Wo sind sie nur hingekommen, die Deppen von einst? Einfach und gut wie das Brot, das die Bäcker buken. Man sollte es nicht für möglich halten, dass es hochintelligente Idioten gibt. Aber genau das ist eines der Charakteristika der Zeit, in der wir leben. Heutzutage sind die Deppen hochintelligent."

An diese Worte Leonardo Sciascias muss ich immer denken, wenn Michael Naumann den Mund aufmacht. Vor ein paar Jahren sagte er, es sei lächerlich, die italienische Linke als Kommunisten zu bezeichnen. Das seien Sozialdemokraten.

Es ist haarsträubend, dass ein fachlich so kompetenter Journalist die Lage in Italien tatsächlich so gründlich verkennen kann. Wobei er ja nicht alleine ist. Genauer gesagt, gibt es keinen einzigen Journalisten im gesamten deutschsprachigen Raum, der Italien wahrheitsgemäß beschreibt. Italiens Probleme rühren ja gerade daher, dass es nun einmal keine moderate Sozialdemokratie in Italien gibt und die wenigen Politiker, die man als Sozialdemokraten bezeichnen könnte, wie Prodi und Amato, nie stabile Regierungen bilden konnten, weil sie de facto immer Geiseln ihrer kommunistischen Koalitionspartner waren.

Man kann sogar sagen, dass eins von Berlusconis Verdiensten darin besteht, die Linke zu ein bisschen Modernisierung gezwungen zu haben und einen Keim sozialdemokratischer Kultur entstehen zu lassen. Mario Monti und Matteo Renzi - die beide, wie Romano Prodi, einen ursprünglich christdemokratischen Background haben - sind nun eine Art von Sozialdemokraten, in dem Sinne, in dem auch Angela Merkel eine Sozialdemokratin ist.

Vor 30 Jahren wurde in der italienischen Linken noch diskutiert, ob der Kapitalismus eine Kuh ist, die man melken sollte oder doch besser schlachtet. Damals war Napolitano neben Amendola der einzige irgendwie herausragende Sozialdemokratoid. Seit 1994 war Berlusconi der Linken immer einen Schritt voraus und zwang sie dadurch, sich zu modernisieren, anzufangen in markwirtschaftlichen Begriffen zu denken und ihm nachzueifern. Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass es einzig und allein Berlusconi zu verdanken ist, wenn es in Italien jetzt ein Gebilde gibt, das man vage als italienische Sozialdemokratie bezeichnen könnte: das vom Grufty Bersani geführte Parteienbündis. Wobei dieses Mittelinksgebilde nach wie vor - wie unter Giuliano Amato, wie unter Romano Prodi - dem Minderheitsdiktat der Kommunisten untersteht (früher Bertinotti, heute Vendola) und, statt mit Monti, mit diesen paktiert.

Seit Berlusconi 1994 die politische Szene betrat, gelang es seinen Gegnern kein einziges Mal, eine kompakte, schlagfertige Regierung zu bilden. Und was schlimmer ist: sie waren nicht einmal dazu fähig, so wie es sich gehört, eine korrigierende Opposition zu bilden und wie in Demokratien üblich als konstruktives Gegengewicht zu fungieren. Berlusconi war ihnen immer mindestens einen Schritt voraus.

Warum gibt es in Deutschland keinen einzigen Journalisten, der diese Dinge wahrheitsgemäß berichtet? Wie ist es möglich, dass ein Journalist wie Naumann seine gesamte Intelligenz - die er gewohnt ist, auf den Scheffel zu setzen - in den Dienst der eigenen Dummheit stellt?

"Wenn die Völker sich besser kennen würden, würden sie sich mehr hassen." Ennio Flaiano

Abwrackaktion zur Entsorgung der alten KPI-Riege abgelehnt


Seit 1994 hat die italienische Linke, die seit damals Berlusconis Medienmacht und den Interessenkonflikt beklagt, mehrmals regiert (Dini, Prodi, D'Alema, Amato) und während ihrer Regierungen nie versucht, Berlusconis Medienmacht gesetzlich zu schwächen, weil sie - aus Mangel an eigenen Ideen - sonst 1. ihren besten Feind und ihre eigene raison d'etre verloren hätte und 2. Angst hatte, Murdoch und Kirch sonst nichts mehr entgegensetzen zu können. Trotzdem plappert Naumann die Gebetsmühlen der verlogenen Kommunisten nach. So dumm kann man eigentlich gar nicht sein. Der Verdacht, er habe ein Interesse daran, seine Lügen zu verbreiten, ist naheliegend. Aber worin sollte dieses Interesse denn bestehen? Nein, es handelt sich tatsächlich nur um reine Dummheit. Um die Dummheit eines eitlen Trottels, aber auch um die weltfremde Verblendung von uns Deutschen, ständig hin und her gerissen, von unserer Sehnsucht nach italienischer Unbefangenheit und unserem Entsetzen über die italienische Unbefangenheit.





Naumann ist eine protestantisch-jüdische Variante des "reinen Tors". Ein jüdischer Parsifal und norddeutscher Michel, der dem eigenen Testosteron misstraut und Berlusconis oistrogene Gestae auch dann verachtet, wenn sie Schlimmeres verhindern.

2 Kommentare:

  1. "Das Leben ist zu kurz um kein Italiener zu sein." Davvero? http://www.italyloveitorleave.it/

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    1. Certo! http://it.wikipedia.org/wiki/Ovosodo

      http://de.wikipedia.org/wiki/Gründerkrach

      http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Fledermaus#Entstehungsgeschichte

      http://www.guardian.co.uk/film/2013/may/21/cannes-review-great-beauty-sorrentino

      http://it.wikipedia.org/wiki/Italians_(film)

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