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Montag, 13. Januar 2014

Beate Zschäpe



"Homo sum, humani nihil a me alienum puto" Publius Terentius Afer


Einst gab es nur ARD und ZDF und die Regionalsender des Dritten Programms. Heute ist es nicht mehr möglich, dass von einer gesuchten Person in "Tagesschau" und "Heute" immer nur ausnahmslos entwürdigende Bilder gezeigt werden und dann noch fast immer dasselbe. An diesem Beispiel wird anschaulich, dass Pluralismus per se schon ein kostbares Gut ist.

Damals waren auch im "Stern" nur dämonisierende Bilder zu sehen, denen man ihre erkennungsdienstliche Entstehung ansehen konnte (und die gleichzeitig mit sensationalistischen, geradezu sympathisierenden Artikeln unterlegt wurden; was vielleicht jede Dämonisierung begleitet... ), obwohl immer Fotos zur Verfügung standen, in denen die damalige Angeklagte als ganz normale Person "wie du und ich" hätte gesehen werden können.
Diese nicht entwürdigenden Fotos wurden aber nur in "Konkret" und ähnlichen Zeitschriften gezeigt.

Es gibt drei Gründe, weshalb die Menschenwürde von Angeklagten politischer Terrorakte - bei selber Rechtsgrundlage - in der BRD heute rückhaltlos geachtet wird und vor 40 Jahren nur auf sehr eingeschränkte Weise. Heute gibt es

1. zu viele Fernsehsender, um sie alle an der Leine halten zu können (ganz zu schweigen von den Multiplikatoren im Internet).
2. hat Deutschland enorm dazugelernt (viele derjeniger, die damals außer der FAZ auch "Konkret" lasen, sind heute selber Journalisten, Richter, Politiker), und man spricht daher durchaus auch gewalttätigen Extremisten heute eine schlüssige politische Identität weder von vornherein ab, noch spricht man sie ihnen ab, wenn sie einmal rechtmäßig verurteilt wurden und sogar weiterhin zu ihrem Rechtsbruch stehen und die Legitimität ihres illegalen Handelns unerschütterlich - frangar, non flectar - rechtfertigen.
3. wecken politische Terroristen auch im Lager des reaktionären Bürgertums seit der Wiedervereinigung manchmal Verständnis, weil wir a) die USA nicht mehr so nötig brauchen wie vor der Wiedervereinigung und b) antiisraelischer oder antiamerikanischer Terror heute nicht die deutschen, schuldbewussten Marxisten unter der Fahne eines abstrakten Internationalismus vor ihren Wagen spannt, sondern den deutschen Überdruss an Schuldbeteurungen wie ein Spinnakersegel setzt.
4. fand im Verlauf von vier Jahrzehnten eine enorme Wandlung statt: es handelt sich diesmal nicht um eine linke Terroristin, die mit ihrem internationalistischen Pseudo- und Hyperdemokratismus niemals auf Verständnis oder gar Konsens bei weiten Teilen der Bevölkerung hätten stoßen können, sondern um eine rechte Terroristin, die in einer Zeit agiert hat, in der das Establishment der BRD durch ein linkes Bürgertum geprägt ist, während in der Bevölkerung durchaus ein Potential für Verständnis, wenn nicht gar des uneingestandenen Konsens, mit Beate Zschäpe vorhanden ist.

So wie die Ermittlungen in ihrem Fall stockten, in völlig falsche Richtungen liefen und im Sande versickerten, weil bei den Ermittlungsbehörden von Polizei und Verfassungsschutz auf Grund mehr oder weniger (un)bewusster Konvergenz der Abwehrwünsche ein ähnliches Feindbild vorherrschte wie bei der NSU, genießt Beate Zschäpe heute auch die behutsame Aufmerksamkeit des Mediums Fernsehen, das keine Sekunde lang den Volkszorn für "menschlich, allzu menschliche" Dokumentation zur Hauptsendezeit zu fürchten braucht und völlig frei von Berührungsängsten über sie berichtet und sich nicht einmal scheut, ihr entspanntes Auftreten im Gerichtssaal aller Welt zu zeigen.

Der gute Beckstein verteidigt die Ermittlungsbehörden, sie hätten wohl deshalb politisch motivierten Terror bald ausgeschlossen, weil es keine Bekennerschreiben gegeben habe, was ja völlig untypisch sei. Beate Zschäpes Gelassenheit rührt aber gerade daher, dass die NSU es nie nötig hatte, solche zu schreiben. Actions speak louder than words braucht man nicht zu übersetzen. Weder ins Deutsche, noch ins Türkische. The medium is the message auch nicht. Man braucht es nicht einmal auszusprechen.

Reminiszenz

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