Stationen

Dienstag, 31. Mai 2016

Eine geht noch!


Beim Thema Glyphosat werfen die Grünen in schöner Eintracht mit den Umweltaktivisten von Greenpeace, BUND und Co. jeglichen Anschein von wissenschaftsbasierter Politik (und Vernunft) über Bord.

Da werden dubiose „Institute“ beauftragt, in anekdotenhaft winzigen Stichproben von emotional besonders aufgeladenen Produkten wie Bier oder Brot gefälligst Spuren des Pflanzenschutzmittels zu finden. Bei der Muttermilch griff man kurzerhand zu einer Nachweismethode, die für Emulsionen wie Milch ziemlich ungeeignet ist – und wurde trotzdem fündig; und das bei Konzentrationen, die um rund das 200-Fache unterhalb der Nachweisgrenze der Methode liegen. Wunder geschehen eben immer wieder – auch wenn man notfalls etwas nachhelfen muss.
Dass das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) daraufhin mühsam eine geeignete Nachweismethode entwickelt, eine seriöse Studie durchführt und wenig überraschend kein wasserlösliches Glyphosat in fettiger Muttermilch gefunden hat, interessiert mehr als ein halbes Jahr nach der hysterischen Schlagzeile niemanden mehr. Als trotz aller pseudowissenschaftlicher Studienkampagnen das Teufelszeug noch immer nicht verboten wurde, ließen einige Grüne es sich nicht einmal nehmen, ihr Pipi darauf untersuchen zu lassen und die Ergebnisse triumphierend per Twitter zu verbreiten.

Bei so viel Mut zu öffentlich zelebrierter Ignoranz und Peinlichkeit stellt sich die Frage: Warum machen die das eigentlich? Für den Umweltschutz? Wohl kaum, denn ein Glyphosatverbot dürfte der Umwelt eher schaden: Laut einer Umfrage der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft unter Landwirten im Winter 2011/12 entfielen zwei Drittel der Glyphosat-Anwendungen in Deutschland auf Stoppelfelder. Denn die Vertilgung von Pflanzen nach der Ernte ermöglicht es den Bauern, auf das Pflügen ihres Ackers zu verzichten. Das spart nicht nur Kosten, sondern auch eine Menge Diesel und damit CO2-Emissionen. Verzicht auf die mechanische Bodenbearbeitung schützt außerdem den Boden vor Erosion durch Wind und Wetter und vor dem Verlust von Nährstoffen und wichtigen Bodenorganismen. Die existierenden Alternativen zum Glyphosat, Pflug oder eine Mischung deutlich giftigerer Herbizide, sind umweltschädlicher als das Mittel selbst. 
Für die Biodiversität? Die ist ein schönes Ziel, allerdings nicht auf dem Acker, da will auch der Bio-Bauer keine Diversität, sondern möglichst viele Feldfrüchte und möglichst wenig „Ackerbegleitflora“. Schließlich will er Weizen ernten und nicht Ackerfuchsschwanz. Ein effektiver Einsatz von Herbiziden steigert den Ertrag. Je höher der Ertrag, desto weniger Fläche wird für den Ackerbau benötigt und desto mehr Fläche kann aus der Kultur genommen werden, um als Blühstreifen, Wald oder ungenutztes Grünland der geschätzten Biodiversität zu dienen.
Für den Verbraucher? Auch das ist zweifelhaft, wenn man bedenkt, dass die Unkrautbekämpfung auch der Gesundheit dient. So enthält Bilsenkraut, das sich gern mal in Getreidefeldern ausbreitet, giftige Tropan-Alkaloide. Es dürfte kein Zufall sein, dass gerade die Produkte von Bio-Anbietern immer wieder mit diesen Giften belasten sind.

Aber ein kleiner Trip für die lieben Kleinen durch Rauschmittel in der Babynahrung ist ja wohl allemal besser als Krebsstoffe in Muttermilch (oder zumindest -pipi).

Mal ganz davon abgesehen, dass die Einschätzung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ durch die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) ziemlich umstritten ist und selbst der Hauptautor einer der Studien, auf die sich das IARC als Beleg für die Einschätzung beruft, die daraus gezogene Schlussfolgerung als "völlig falsch" bezeichnet, gilt auch beim Glyphosat der alte Grundsatz, dass die Dosis das Gift macht.

Für die Bewertung des grundsätzlichen Krebspotenzials durch die IARC spielte das keine Rolle. Entsprechend berücksichtige die WHO-Behörde laut BfR auch Tierstudien, in denen Ratten das 2920-Fache der zulässigen Tagesdosis (ADI) gegeben und damit sogar die empfohlene tägliche Limit-Dosis für Krebsstudien überschritten wurde. Das ist Krebsforschung mit dem Holzhammer. Wie wenig das am Ende mit dem tatsächlichen Risiko zu tun hat, zeigt die Tatsache, dass Stoffe, die von der IARC als krebserregend eingestuft werden, keinesfalls automatisch verboten werden. In diese Kategorie fällt zum Beispiel Alkohol, von dem im Bier gemeinhin deutlich mehr enthalten ist als Glyphosat. Für die tatsächliche Risikobewertung sind Behörden wie das BfR zuständig, und die kommen überall auf der Welt zu dem Ergebnis, dass von Glyphosat bei sachgerechter Anwendung kein Krebsrisiko ausgeht.

Es bleibt also die Frage, die am Anfang jeder guten Verschwörungstheorie steht: Cui bono? Wer profitiert davon? Wem könnte am Glyphosat-Verbot gelegen sein? Die Bio-Landwirtschaft, gut, aber das ist zu langweilig und naheliegend. Es schleicht sich vielmehr ein schrecklicher Verdacht ein: Könnten die Grünen womöglich heimlich für den Teufel selbst, für Monsanto, den Hersteller des glyphosathaltigen „Round Up“, arbeiten?
Das mag absurd klingen, aber wenn man darüber nachdenkt: Glyphosat ist seit 40 Jahren auf dem Markt, der Patentschutz von Monsanto ist längst abgelaufen. 40 Prozent des weltweit gehandelten Pflanzenschutzmittels werden mittlerweile von chinesischen Firmen produziert. Den Rest des Markts teilt sich Monsanto mit anderen Firmen wie Syngenta, DuPont oder Dow AgroSciences. 2010 hat Monsanto den Preis für seine Glyphosat-Produkte um 50 Prozent senken müssen. Eine „Cash-Cow“ ist das Mittel schon lange nicht mehr. Gleichzeitig machen seine einzigartigen Eigenschaften (geringe Toxizität, geringe Mobilität, schneller Abbau, hohe Effektivität etc.) das Mittel so attraktiv für die Landwirtschaft, dass es nahezu unmöglich ist, zeitaufwendig und teuer entwickelte Alternativen auf den Markt zu bringen. Dem Julius-Kühn-Institut für Kulturpflanzenforschung (JKI) zufolge wurde in den vergangenen 30 Jahren kein neuer Wirkmechanismus bei Herbiziden entwickelt.

Doch der geübte Verschwörungstheoretiker fragt sich: Ist das wirklich so? Oder liegen die Formeln für neue Pflanzenschutzmittel lediglich gut verschlossen in den Schubladen der Monsanto-Bosse – so wie seit Jahrzehnten bekanntlich die Pläne für das 3-Liter-Auto in den Giftschränken von VW, Mercedes und Co.?

Ist es am Ende also womöglich Monsanto, das sich bei der ganzen Debatte auffällig zurückgehalten hat, das von einem Glyphosat-Verbot profitiert, weil sich dadurch endlich die Chance eröffnen würde, neue patentgeschützte Herbizide auf den Markt zu bringen? Sind Greenpeace und Konsorten die ideologisch-getarnte Stoßtruppe des Monsanto-Marketings, die Kampfeinheiten einer False-Flag-Operation des teuflischsten Konzerns der Welt? Und wie ist eigentlich der plötzliche Meinungsumschwung der SPD zu erklären? Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel macht sich auf einmal Sorgen über mögliche Risiken eines nach Ansicht der zuständigen Behörden risikoarmen Pflanzenschutzmittels, und einen Tag später kündigt der deutsche Chemiekonzern Bayer an, Monsanto übernehmen zu wollen. Kann das wirklich Zufall sein?

Johannes Kaufmann (Jahrgang 1981) arbeitet als Wissenschaftsredakteur bei der Braunschweiger Zeitung. Neben Wissenschaftsthemen von der Grünen Gentechnik über die Infektionsforschung bis zur Lebensmittelsicherheit beschäftigt er sich vor allem mit der Geschichte der israelischen Armee.

Too clever by half

Ich kann mir nicht helfen, aber seit der Tortenattacke finde ich Sahra Wagenknecht noch aufregender. Sie fasziniert mich seit langem. Zum einen ist sie das überlegene Gegenstück zur kühlen Blonden: An diese kühle Brünette kommt keine noch so Helle aus dem Norden heran. Und dann ist da noch diese andere Sache, die ich in eine Frage kleiden will: Wie kann man nur so klug sein und gleichzeitig so schief liegen?
Es ist kein unbekanntes Phänomen. Die Engländer nennen Leute, die vor lauter Schläue im Gegenteil landen „too clever by half“.

Bei Sahra Wagenknecht ist es der Wunsch nach „Reichtum ohne Gier“. Ein frommer Wunsch in der doppelten Bedeutung des Wortes. Er frommt uns, aber er hält der Wirklichkeit nicht Stand. Des Lebens bittere Erfahrung lehrt leider: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass es Reichtum ohne Gier gibt.
Doch was heißt das schon. Wo wären wir, wenn nur die Dummen fromme Wünsche formulieren würden. Wenn sich alle klugen Köpfe vor der Tristesse der Realität verneigen würden. Und kann man fromme Wünsche attraktiver predigen als Sara Wagenknecht mit ihrer kerzengeraden Eleganz und der argumentativen Strenge ihrer politischen Romantik?

Und dann muss ich sagen: Wenn schon links – dann doch wohl wagenknechtlinks und nicht gysilinks. Gregor Gysi würde inzwischen vor lauter Regierungslust einen Kanzlerkandidaten Gabriel oder gar Steinmeier schlucken.

Da beweist Sahra Wagenknecht ein anderes Kaliber, wenn sie der braven SPD einen Jeremy Corbyn oder einen Bernie Sanders an den Hals wünscht, um sie reif für die Linke zu machen.
Da scheint sie auf, die Wahlverwandtschaft der interessanten, ja aufregenden Politiker in einer sonst so betulichen Polit-Belegschaft. Wer Politik, wozu ich immer rate, auch als ein Entertainment betrachtet, der kann sich über Sanders und Corbyn, die Starklinken der Demokraten und der Labour Party, nur freuen. Ebenso wie über die interessante Sahra in ihrer vergleichsweise bescheidenen Abseitsstellung.

Hillary Clinton ist das Gegenstück: unfaszinierend mittig. Leicht könnte sie die Tragik eines Sigmar Gabriel ereilen, wäre ihr da nicht bei den Republikanern das Unikum Trump als unfreiwilliger, aber gottgesandter Helfer erschienen. Ausgemacht ist die Sache aber noch nicht. Auch Donald Trump gehört – anders als Hillary Clinton - in die Reihe der spannenden Politiker. Nur halt auf der anderen, der rechten Seite. Wenn er denn eine Seite hat: Seine Gegnerschaft zum Freihandelsabkommen mit Europa dürfte links genauso gefallen wie rechts.
Der offiziellen journalistischen Sortierung folgend gehört Trump allerdings klar zu den Rechtspopulisten. Man könnte ihn also einen Wahlverwandten der Frauke Petry nennen, wäre er nicht um ein Vielfaches interessanter als die unaufregende AfD-Chefin. Trumps rechtslastige Beleidigungen und seine im Ungewissen wabernden Phrasen haben etwas Genialisches, was deutsche Rechtspopulisten einfach nicht schaffen. Ein Boateng-Stuss, wie ihn Gauland geliefert hat, wäre bei Trump Dutzendware, ein Stückchen rhetorischer Frühsport vor der populistischen Tages-Agenda.

Tja, der Populismus. Die populären Linken wie Jeremy Corbyn und Bernie Sanders, die massenhaft junge Protestbürger anziehen, sind keine Populisten, weil die mediale Einsortierung links keine Populisten anerkennt. Rechtspopulisten – ja, Linkspopulisten – nein. Warum ist das so? Keine Ahnung. Wenn ich ein strammer Linker wäre, wäre ich gerne ein Linkspopulist. Schon aus Gründen der Gerechtigkeit. Aber dem Linkspopulismus fehlt nun mal die mediale Hebamme, er schafft es einfach nicht, das Licht der Welt zu erblicken.
Sahra Wagenknecht wäre auch dann keine Linkspopulistin, wenn es Linkspopulisten gäbe. Sie ist einfach zu kühl und zu kopfgesteuert, um im  populistischen Fach zu reüssieren. Der Torten-Antifa, deren Opfer sie neulich wurde, ist sie nicht einmal links genug. Tatsächlich hat Sahra Wagenknecht gesagt, Deutschland könne nicht unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen. Das macht sie in den Augen Backwaren produzierender Antifaschisten wahrscheinlich zu einer Rechtspopulistin.
Egal. Ich finde es erstaunlich, mit welcher Gelassenheit sie die  braune Torte wegsteckt hat, die ihr ins Gesicht gedrückt worden ist! Ich habe den Verdacht, dass sie sich mit der Torte ausschließlich zeitgeschichtstheoretisch befasst hat, als gebackenen Beleg für die traditionelle Zersplitterung der Linken. Im übrigen ging es ruck-zuck: Frisches Make-up, Kostümwechsel von rot zu blau, und fertig. Die jungen Anhänger der angelsächsischen Polit-Opas Corbyn und Sanders würden sagen: The lady is cool. Ich sage das auch. So cool wie Sarah Wagenknecht ist keiner in der politischen Menagerie unseres Landes.  Rainer Bonhorst

Bundespolizeidirektion spraak

MÜNCHEN. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte in Bayern ist in den ersten vier Monaten dieses Jahres deutlich gestiegen. Laut Bundespolizeidirektion seien in den ersten vier Monaten dieses Jahres 53.300 unerlaubte Einreisen nach Bayern festgestellt worden, im gleichen Vorjahreszeitraum seien es 12.500 gewesen, berichtet die Nachrichtenagentur dpa.
„Die Lage hat sich keineswegs beruhigt“, betonte Behördensprecher Thomas Borowik.

Nach der Schließung der Balkanroute brächten vor allem Schleuser die Menschen über die bayerisch-österreichische Grenze. Die Polizei sei nahezu machtlos, räumte ein Schleierfahnder ein. „Die Schleuser kennen unsere festen Kontrollstellen. Sie setzen die Flüchtlinge dann einfach am Straßenrand aus und verschwinden.“
Allerdings seien in den Monaten Januar bis März jeweils etwa 50 Schleuser festgenommen worden, im April seien es rund 80 gewesen.
 
Das bayerische Innenministerium versprach, Personenkontrollen an den Binnengrenzen so lange fortzusetzen, bis ein wirksamer Schutz der EU-Außengrenzen gewährleistet sei. Ein bloßes Durchwinken sei nicht hinnehmbar. Jedem, der kein Visum besitze, werde die Einreise nach Deutschland verweigert.

Perspektivewechsel

"Hätte Heiko Maas gesagt, was Gauland gesagt hat", notiert Leser ***, "man hätte konstatiert, dass er deutsche Realität treffend wiedergegeben habe.
So aber reiht sich der Vorfall in eine Reihe von Philipp Jenninger über Christian Wulff, Rainer Brüderle bis zu Akif Pirincci. Die pure Lust am Verdrehen und Verleumden.
Die deutsche Presse ist zum grössten Teil nur noch eine ekelerregende Kloake."  MK am 31. Mai 2016


Unwägbarkeit


unStatistik

Ein Lehrbeispiel

Die FAZ betreffend sind schon lange keine Zweifel mehr möglich. Die Diffamationskampagne gegen alle Islamkritiker ist ja seit Merkels Rede Weihnachten 2014 ununterbrochen im Gang und hat nur begonnen zu eskalieren, seit der unsägliche Justus Bender zum Vollstrecker ernannt wurde. Diese Attacke gegen Gauland wird nicht die letzte Schmutzoffensive bleiben. Die Methoden der FAZ sind genauso niedrig wie die von Johannes B. Kerner und Günther Jauch. Niveau bekommt der Feldzug der FAZ einzig und allein durch die Gegner, die sich die FAZ ausgesucht hat. Das wird ins Auge gehen. Die FAZ ist Gegnern wie Kubitschek, Gauland, Lichtmesz, Klonovsky, Hinz nicht gewachsen und die Leser der FAZ sind zu einem nicht unbedeutenden Teil immer noch zu intelligent, um dies nicht zu merken.

Markus Wehner




Die F.A.S. hatte Gauland am Wochenende mit den Worten zitiert, die Leute fänden den dunkelhäutigen Innenverteidiger Boateng „als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“

Gauland schrieb an die AfD-Mitglieder, seine Äußerungen gegenüber zwei Redakteuren der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ seien „ein als vertraulich klassifiziertes Hintergrundgespräch“ gewesen. Leider hätten sich die Redakteure „nicht an die Abmachungen gehalten“ und ihm vor der Veröffentlichung auch keine Zitate zur Autorisierung vorgelegt.

Der AfD-Vize kritisierte in seinem Schreiben, dass ein dritter Redakteur der Zeitung den Titel „Gauland beleidigt Boateng“ gewählt habe. Diese Überschrift sei „durch keinen Satz im Text gedeckt.“
„Erst durch diese Überschrift haben die ansonsten richtigen Aussagen den Dreh ins Fremdenfeindliche, Rassistische bekommen“, monierte Gauland. Ihm sei es „nur um eine Beschreibung von Gefühlen“ gegangen, „die wir alle überall in unserer Nachbarschaft wahrnehmen und die sich nicht dadurch vermindern, dass wir sie heuchlerisch nicht zur Kenntnis nehmen.“

Ein AfD-Sprecher hatte bereits mitgeteilt, die Bundespartei prüfe, mit der Forderung nach Unterlassung gegen die Überschrift in der F.A.S. vorzugehen.

Beim Thema Fremdsein sei Gauland gefragt worden, „wie es denn mit Herrn Boateng zum Beispiel sei.“ „Und dann hat er die Antwort gegeben, die er gegeben hat, und die wir veröffentlicht haben. So banal war der ganze Ablauf.“


Lohse sprach von einem „klassischen Informationsgespräch", wie es in der Vergangenheit auch schon mit Gauland geführt worden sei. Ab dem Moment, in dem der AfD-Politiker darum gebeten habe, nicht mehr mitzuschreiben, hätten beide auch ihre Stifte beiseite gelegt. Am Ablauf des Gesprächs sei nichts Ungewöhnliches gewesen.

„Frau Petry hat mich angerufen und sich sehr kritisch über die Berichterstattung geäußert“, sagte Gauland der „Bild“-Zeitung. Die Parteichefin war bereits am Sonntag auf Distanz zu Gaulands Aussage gegangen: Die „Bild“ hatte sie mit den Worten zitiert, sie „entschuldige“ sich bei Herrn Boateng für den durch Gauland erweckten Eindruck.  FAZ

Montag, 30. Mai 2016

Der Flüchtilant wird zur Götze



Die ganze Angelegenheit ist haarsträubend, aber einen gewissen Genuß hat sie mir am Ende doch bereitet. Das makabre Theater, das der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki zu Fronleichnam vor dem Kölner Dom inszeniert hat, kann es locker mit den schönsten Szenen aus „Das Heerlager der Heiligen“ aufnehmen, insbesondere jenen, die von der Pervertierung der christlichen Religion handeln.
Anders als pervers kann man die vor dem Kölner Dom abgezogene Show nämlich kaum bezeichnen: Da wurde allen Ernstes ein Flüchtlingsboot zum Altar umfunktioniert, während Woelki eine geschwollene, hysterische Predigt hielt:
„Wer Menschen im Mittelmeer ertrinken lässt, lässt Gott ertrinken“,
sagte Woelki in seiner Predigt. Innerhalb eines Jahres seien 3327 Menschen
„in Booten wie diesem zugrunde gegangen“,
sagte Woelki mit Verweis auf Angaben des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen. Das Boot sei heute zum Altar geworden, also zum Symbol für Gott selbst.
„Er ist mitten in diesem Boot.“
Er sei in allen Flüchtlingen anzutreffen, in allen Traumatisierten, Verzweifelten und Verschleppten.
„Ihr Schrei nach Gerechtigkeit, ihr Schrei nach Würde und Frieden ist Gottes Schrei – hören wir ihn?“
Man könne nicht Fronleichnam feiern, ohne alles zu tun,
„um gegen die Ungerechtigkeit und das Elend dieser Welt“
anzukämpfen. Das Erzbistum Köln hatte das Holzboot gekauft, das von der Maltesischen Armee vor einigen Jahren bei einem Rettungseinsatz beschlagnahmt worden war.

Damit ist die Sakralisierung des Flüchtlings zur Heiligen- und Christusfigur endgültig vollzogen.

Auch das Boot wird zum sakralen Gegenstand, zur Reliquie erklärt- um nicht zu sagen, vergötzt. Und wie immer in diesem Spiel sind die Schreie der Mord-, Raub- und Vergewaltigungsopfer gleichgültig oder eine lästige Nebensache. Sie würden nur das heilsgeschichtliche Pathos und die aufgeblasene, selbstgefällige Pose des Erzbischofs stören. (Ironischerweise war es gerade der Kölner Dom, in dessen unmittelbarer Nähe die Silvesternachtexzesse stattfanden.)
Auch diese religiöse Demenz hat Jean Raspail in zahllosen Szenen vorweggenommen. Die „Armada der letzten Chance“ wird zu einer Armee aus „einer Million Christusse“ verklärt, deren Ankunft nicht nur ekstatische linksdrehende Kleriker in einen messianischen Rausch versetzt.
Hier etwa der Dialog zwischen dem alten Professor Calguès und einem linksradikalen Hippie zu Beginn des Buches:
»Und Sie? Was wollen Sie hier? In diesem Dorf? Bei mir?«
»Ich plündere. Außer der Armee und meinen Kumpels ist im Umkreis von hundert Kilometern niemand mehr da. So plündere ich eben. Hunger habe ich keinen mehr. Ich habe schon zuviel gegessen. Ich brauche ohnehin nicht viel, und außerdem gehört jetzt alles mir. Morgen werde ich es ihnen geben. Ich bin sozusagen ein König und werde ihnen mein Königreich schenken. Heute ist doch immerhin Ostern.«
»Ich verstehe nicht.«
»An Bord dieser Schiffe befindet sich eine Million Christusse, die morgen auferstehen werden. Und Sie, ganz allein …
Sie sind auch am Ende.«
»Sind Sie gläubig?«
»Überhaupt nicht.«
»Und diese Million Christusse, ist das Ihre Idee?«
»Nö. Aber ich fand sie ziemlich cool, zumindest für Pfaffengeschwätz. Ich habe sie auch von einem Pfaffen gehört. Vor einer Stunde ist mir einer entgegengekommen. Er führte sich auf wie ein Verrückter. Nicht wie ein Schwachkopf, aber ziemlich bizarr. Ab und zu blieb er stehen, hob seine Arme, wie die andern da unten, und schrie: ›Danke, mein Gott!‹ Dann lief er weiter Richtung Strand. Sieht so aus, als ob noch andere nachkämen.«
»Was für andere?«
»Andere Pfaffen von der gleichen Sorte. Aber Sie langweilen mich. Ich bin nicht zum Quatschen gekommen. Sie sind doch nur noch ein Gespenst. Was machen Sie noch hier?«

Bei Raspail taucht nach der vollzogenen Eroberung des Abendlandes ebenfalls ein Flüchtlingsboot auf, das zu einer Art Reliquie erklärt wird – wobei eine eigenartige dialektische Umdeutung stattfindet, in der am Ende der Christus-Flüchtling doch wieder zum heroischen Conquistador wird:
 
Von der Flotte blieben nur ein paar zerfetzte Wrackteile übrig, die längs des Strandes verstreut lagen. Lediglich ein kleines Torpedoboot behielt eine halbwegs wiedererkennbare Form. Das herrschende Regime läßt es jeden Ostermontag mit weißen Bannern schmücken und dem Volk zur frommen Verehrung darbieten. Die Pilger kommen in Scharen angereist und defilieren schweigend an der Reliquie vorbei. Auch hier wurde die Geschichte verfälscht, indem Vergleiche mit Cortès gezogen wurden, der nach der Landung in Mexiko befohlen hatte, seine Flotte zu verbrennen. In dieser Fassung erschien der Mythos wie ein durchdachter und von allen Beteiligten bewußt durchgeführter Plan, hinter dem – wie bei Cortès – ein klarer politischer Wille gestanden haben soll.
Die bejammernswerte Masse wurde damit zu einer Armee von Eroberern umgedeutet. Die Schuljungen sabbern vor Stolz, während sie das heldenhafte Torpedoboot bewundern. Ich aber weiß, daß es anders war. Ein paar lächerliche Minuten hätten genügt, und der Sturm hätte die Flotte mit einem Schlag samt ihren schwarzen Passagieren vernichtet. Ich weiß ebenso, daß Gott uns diese Minuten der Gnade nicht geschenkt hat.

In diesen Zusammenhang gehört auch, daß die AfD vom deutschen Katholikentag ausgeladen wurde. Das ist erstaunlich bei einer Partei, in der sich überdurchschnittlich viele Christen versammeln, und die zudem im Nachbarbundesland des Katholikentages unlängst fast 25% der Wählerstimmen erreichte. Eingeladen sind allerdings die notorisch katholizismusfeindlichen Grünen und die „Linke“, die immerhin Nachfolgepartei der kommunistischen SED ist, die wiederum wesentlich dazu beigetragen hat, daß es in Leipzig nur mehr 4,3% Katholiken gibt. Als Krönung mit von der Partie: Der Zentralrat der Muslime. Mehrere Kirchenvertreter sprachen sich am Kirchentag klar dafür aus, die „Rechtspopulisten“ als „massive Bedrohung“ zu klassifizieren. Gleichzeitig rückt auch die „Linke“ näher an den Katholizismus, was von katholischer Seite begrüßt wird. Unbestechliche Ausnahmefiguren wie der Salzburger Weihbischof Laun werden zunehmend an den Rand gedrückt.

Es scheint nicht mehr zu vermeiden sein, daß der katholische Mainstream – der Papst voran – nun immer rascher zur globalistischen Menschheitsreligion der offenen Grenzen und der hypermoralischen Ethik aufschließt. Damit wittern Teile des Klerus wohl auch ihre Chance, die eigene Sinnvermittlerrolle wieder zu stärken, indem sie nun etwa „die Flüchtlinge“ als neuen Gott und sich selbst als dessen Verkünder und Hohepriester anbieten.
Damit wird die herrschende politische Ideologie der europäischen Selbstaufgabe mit Weihrauch und sentimentalisierendem Pomp versüßt, die ihrerseits wohl nichts anderes als eine „politische Religion“ nach Voegelin ist. Eine derart pervertierte Kirche ist gleichermaßen Symptom wie tödliches Gift.
Noch einmal Raspail:
Nun kennt sich niemand in den Evangelien besser aus als die abtrünnigen Priester, denn nur Gott allein weiß, wie besessen sie diese durchforsten, um etwas zu finden, womit sie sich selbst rechtfertigen können.
Das „Heerlager der Heiligen“ hier bestellen und lesen! Obwohl: Wenn Woelki so weitermacht, überholt er die Schreckensvisionen des Romans leichten Fußes …   Martin Lichtmesz

FAZ



Eins
Heute haben Gilbert K. Chesterton und Oswald Spengler Geburtstag, doch dieses Datum wird nun in die Geschichte eingehen als der Tag, an welchem ein deutscher Politiker einen deutschen Innenverteidiger beleidigt hat oder haben soll, wenn man es richtig oder eben doch falsch hinbiegt. In Rede und Anklage steht Alexander Gauland von der AfD, welcher erklärt hat oder haben soll, er beziehungsweise doch nicht er selber, aber womöglich andere wollten nicht Nachbarn des deutschen Fußball-Nationalspielers Jérôme Boateng werden. Also nicht auf dem Fußballplatz, da will es aus der gegnerischen Manschaft nun wirklich niemand, sondern im echten Leben, Haus an Haus quasi. Das sei "rassistisch", schäumen Politik und Netz, wobei unsereinem etwas blümerant wird bei diesem mitunter eine Nuance zu schrill und allzu meutenbehaglich zur Schau gestellten guten Gewissen, denn ganz klar ist ja nicht, was Gauland nun tatsächlich gesagt hat und ob er nicht bloß einer journalistischen Spitzbüberei auf den Leim gegangen ist. Während umgekehrt doch ziemlich klar ist, dass gerade Angehörige des Juste Milieu dieser immer kunterbunter werdenden Republik ihre Kinder, so sie überhaupt welche haben, bevorzugt auf Schulen schicken, in denen die weiße Ethnie dominiert, derweil sie im Netz "Diversity" und "Rassismus" skandieren. Wer wollte sie darob schelten? Opportunismus ist das elementarste aller Menschenrechte.

Nehmen wir aber einmal an, jemand bekundet tatsächlich, er wolle einen Menschen anderer Rasse und Artung nicht zum Nachbarn haben, ob derjenige nun schwarz ist oder weiß oder orientalisch oder ein Fellache mit ungeklärter Abkunft: Ist dieser Exklusionswunsch rassistisch? Hat ein Mensch nicht das Recht, sich auszusuchen, neben wem er siedeln will und neben wem nicht? Mein Beleidigtsein hielte sich jedenfalls in Grenzen, wenn jemand sagte, er wolle nicht neben einem hellhäutigen Kultivierten wohnen. Wenn dem so wäre, was sollte ich daran zu ändern wünschen? Allenfalls würde mich ärgern, dass derjenige es unverhohlen ausspricht. Das Problem ist nämlich nicht der Exklusionswunsch aus welchen Gründen auch immer, und seien sie noch so rassistisch, das Problem besteht in der Unhöflichkeit, dergleichen beim Namen zu nennen. Rassismus ist erst dann empörend, wenn ein Mensch aufgrund einer in ihm manifesten kollektiven Eigenschaft als minderwertig behandelt wird, aber nicht, wenn man diese Eigenschaft bloß feststellt und seiner Wege geht. Der defensive "Rassismus", die Kontaktscheu, die Bevorzugung des ethnisch und kulturell Ähnlichen, auch der Ekel, der Wunsch, Andersgeartete, Fremde zu meiden, all das ist so alt wie die Menschheit und wird so lange bestehen, wie es Menschen gibt. Daran können nur Heuchler etwas aussetzen. Der Zivilisierte hegt dergleichen Vorbehalte wie andere auch, spricht sie aber nicht aus. Wenn Gauland tatsächlich gesagt hat, was man ihm vorwirft, hat er sich keineswegs rassistisch geäußert – für dieses populäre, ja populistische Vernichtungsurteil reichten seine Worte längst nicht aus – sondern unmanierlich. 

Ich möchte übrigens, so illusorisch dieser Wunsch auch sein mag, in einer Welt leben, in welcher der Vorwurf der Unmanierlichkeit jenen des Rassismus weit übersteigt.

Zwei
Boateng ist ein netter Mensch, praktizierender Christ, momentan bester Innenverteidiger der Welt, und neuerdings tut er sogar so, als singe er die Nationalhymne mit. Allerdings spielt er beim FC Bayern. Ob man neben ihm wohnen will, bleibt, selbst wenn das Einkommen es ermöglichte und zugleich Geschmack weitestgehend ausschlösse (Ressentiment! Ressentiment!): Geschmackssache.

Drei

„Ich bin Rassist...“, sagte er fröhlich. „Ich bin Rassist geworden... Eine der ersten Folgen des Reisens...“
Michel Houellebecq, "Plattform"

Vier
Eigentlich wollte ich ja, nachdem ich hörte, ein Antifa-Fatzke habe der Linken Sahra Wagenknecht eine Torte ins Gesicht geworfen, unseren Welttag beklagen, der keine kühnen Jünglinge mehr hervorbringt, die dergleichen Obszönitäten gegenüber einer Dame am Morgen des Folgetags im Beisein von Sekundanten bereinigen. Doch heute erklärte die Holde, "schlimmer als die ganze Torte" finde sie "die Beleidigung", mit der vor kurzem ebenfalls mit Naschwerk verunzierten Beatrix von Storch "auf eine Ebene gestellt worden zu sein". Das sei eine Unverschämtheit und zeige, dass da "völlige politische Analphabeten am Werk" gewesen seien.
Wenn ich's recht verstehe, kommt es also einzig und immer darauf an, wen es trifft. 

Fünf
99 Prozent derjenigen, die öffentlich anprangern, diese oder jene politische Anstößigkeit werde jetzt "salonfähig", haben noch nie einen Salon gesehen. Und wie die Dinge liegen, werden sie auch nimmermehr einen betreten.

Sechs (und bereits 30. Mai)

"Sehr geehrter Herr Klonovsky,
unmanierlich? Vielleicht haben Sie recht, aber mir drängt sich das nicht auf. Da es schwer überprüfbar ist, ob 'die Leute' so empfinden, wie von Gauland beschrieben, finde ich das isoliert wiedergegebene Zitat vor allem uninteressant. Als skandalös wirkt es aber auf mich, daß die FAZ-Mitarbeiter dieses Kurzzitat aus einem Gespräch herausreißen, zur großen Schlagzeile machen und fälschlich als Beleidigung bezeichnen und damit nicht nur in Kauf nehmen, sondern geradezu sicherstellen, daß es von den Haßbereiten und Leseunfähigen mißverstanden wird. Da fallen mir dann ganz unmanierliche Worte wie Hetze oder Drecksblatt ein.
Mit freundlichen Grüßen


***"   MK am 29. 5. 2016



Man will es Alexander Gauland gerne glauben, daß die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung Äußerungen aus einem vertraulichen Hintergrundgespräch aus dem Kontext gerissen und willkürlich mit dem populären Nationalspieler Jérôme Boateng in Verbindung gebracht hatte, um einen Nebensatz zum Titelseiten-Scoop hochzuschreiben und einen landesweiten Empörungsballon aufzublasen.

Denn für das, was in Sachen Einwanderung und Integration derzeit falsch läuft und nicht nur von der AfD, sondern auch von vielen Bürgern zu Recht kritisiert wird, wäre ausgerechnet Boateng nun wirklich das falsche Beispiel.

Auch nach dem Abstammungsprinzip ist Jérôme Boateng, Sohn einer deutschen Mutter und eines ghanaischen Vaters, nämlich fraglos ein Deutscher, der den Paß dieses Landes mit vollem Recht hat. Noch dazu einer, der sich – anders als sein Bruder Kevin Prince, der für das Heimatland seines Vaters spielt – offenbar bewußt entschieden hat, seine Talente in unserem Land einzubringen, und der auch sein Geld selbst verdient.

Am penetrantesten instrumentalisiert der Deutsche Fußball-Bund selbst, der natürlich auch jetzt wieder im Empörungs-Chor mitsingt, Boatengs „Migrationshintergrund“. Anders als so mancher „Vorzeige-Migrant“, der von den Verbandsfunktionären volkspädagogisch als Vorbild ausgeschlachtet wird und prompt mit Pilger-Fotos aus Mekka prahlt, kann Boateng nicht nur hervorragend Fußball spielen, er scheint auch etwaige Identitätsprobleme mit der Nationalhymne allmählich zu überwinden: Vor dem WM-Finale in Brasilien sang er erstmals mit – „das war eine bewußte Entscheidung, weil es ein besonderes Spiel für ganz Deutschland war und mich emotional sehr berührt hat“.
„Integrationsprobleme“ hat der gläubige Christ Boateng also mit Sicherheit nicht. Und die „Recherche“, daß er als prominenter Zeitgenosse bei den Nachbarn im Münchner Nobelviertel Grünwald beliebt ist, hätte die FAS sich getrost sparen können; das liegt auf der Hand.
Andere, auch das sollte nicht verschwiegen werden, haben es nicht so gut getroffen. So mancher rechtstreue, gut integrierte, fleißig arbeitende und Steuern zahlende Einwanderer, der vielleicht ebenso akzentfrei Deutsch spricht wie Jérôme Boateng, aber eben kein so bekanntes Gesicht hat, mag durchaus auch heute noch auf Vorbehalte treffen.

Wer das auf einen vermeintlichen „Rassismus“ aus der „Mitte der Gesellschaft“ reduziert, der allein mit noch mehr Volkspädagogik ausgerottet werden könnte, macht es sich zu einfach.
Schuld an solchen Vorbehalten ist nämlich nicht zuletzt die von der Politik mutwillig in Gang gesetzte Flutung des Landes mit Heerscharen fordernder junger Männer aus Nordafrika und dem orientalischen Kulturkreis, bei denen die deutschen Nachbarn ganz und gar nicht wissen, woran sie sind.

Was das von der Politik verursachte Asyl-Chaos an negativen Folgen für autochthone Deutsche wie für assimilierte und rechtstreue Einwanderer bereithält, wäre nicht minder dringend öffentlich zu diskutieren wie die grundsätzliche Frage, wie und in welchen Dimensionen die Aufnahme von Einwanderern mit der Identität und dem kulturellen Erbe des Aufnahmelandes und dem legitimen Wunsch seiner einheimischen Bevölkerung nach Bewahrung des Eigenen zu vereinbaren ist.
Die FAS-Schlagzeile liefert Politikern und Meinungsmachern dagegen einen leichten Vorwand, mal wieder mit ein paar wohlfeilen Kraftsprüchen und Winken mit der „Rassismus-Keule“ von diesen überfälligen Debatten und von der eigenen Verantwortung für die Fehlentwicklungen in Staat und Gesellschaft abzulenken. Und das ist mehr als ärgerlich.   Michael Paulwitz

Ein wundervoller Wessi



Was ist deutsch?

Für robuste Mägen

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Sonntag, 29. Mai 2016

Straches Sache ist Gerächtigtigkeit und Rache

Der braune Sachertortenkomet ist knapp an Europa vorbeigeschrammt, aber wird wieder kommen.  Wolfram Weimer

Wolfgang Herles

Diesmal kein Brief an Sie, lieber Roland Tichy, sondern an einige Leser, die meine jüngsten Anmerkungen über die Dummheit scharf retournierten. Und zwar speziell meinen Satz, es gehe nicht darum, den Islam zu bekämpfen, sondern ihn zu ändern.

„Bei dem letzten Teil des Satzes `ihn zu ändern´ hört es doch auf!“ (Eckrentner), „wird der Autor leider zum naiven Opfer seines eigenen Vorwurfs“ (Mark Munich), „diffamieren Sie arrogant und herablassend die Menschen, die in Deutschland und Europa gegen den Islam kämpfen als dumm“ (Hermann Neuburg), wird „der Islam dummerweise als friedliche Religion und nicht als totalitäre Ideologie verharmlost. Wirklich dumm, Herr Herles“ (Schwarzseher) und so weiter.



Sehr geehrter Eckrentner, sehr geehrter Schwarzseher, sehr geehrte Herren!

I.

Kritik, auch Kritik am Islam, die nicht auf einen tiefgreifenden Änderungsprozess zielt, ist sinnlos. Bloße Feindschaft führt zu nichts. Sinnvolle Kritik am Islam verfolgt also das Ziel, Kritik am Islam auch im Islam zuzulassen. Erst dann passt der Islam in eine offene Gesellschaft. Wer die muslimischen Gemeinden in Deutschland sich selbst überlässt, sei es durch blinde Toleranz, sei es durch feindselige Ausgrenzung, sorgt nur dafür, dass deren vorsintflutliches Gesellschaftsbild bei uns Wurzeln schlagen kann. Deshalb dürfen wir dem Islam den Diskurs weder verweigern noch ersparen.
Die einen wollen den Islam am liebsten verbieten, die anderen bedingungslos willkommen heißen. Das eine ist so dumm wie das andere und führt zum selben Ergebnis. Die offene Gesellschaft darf es nicht den Imamen überlassen, ob und wie sich der Islam entwickelt. Was bleibt uns auch anderes übrig? Wollen wir vier Millionen Muslime entfernen? Ihre Religion verbieten? Hinter jeden Moslem einen Stasi-Aufpasser stellen?

II.

Ich will mich hier beispielhaft nur auf die aus Somalia stammende, heute in Harvard lehrende Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali berufen. Ihre Kritik am Islam ist an Schärfe und Klarheit nicht zu übertreffen, und dennoch ist sie davon überzeugt: „Eine Reformation des Islam, die Glaube und Modernität verbindet, kann gelingen.“ In ihrem jüngsten Buch „Reformiert Euch! (Knaus Verlag) wiederholt sie ihre Vorwürfe an törichte Appeasement-Politiker wie Obama und Merkel, die noch immer glauben, islamischer Terror ließe sich von islamischen Idealen trennen. „Und doch müssen wir mehr tun, als nur irregeleitete Formen der Religiosität zu brandmarken. Wir müssen reformieren.“ Das bürgerliche Recht muss mehr gelten als die Scharia, Moschee und Staat müssen voneinander getrennt werden. Die Autorin unterscheidet in ihrem lesenswerten Buch zwischen „Scheinreformern“, die zwar den Terror verurteilen, aber „eifrig daran arbeiten, den Gesellschaften die Scharia mit gewaltfreien Mitteln aufzuzwingen“ und den echten Reformern, die bestimmte Lehren des Islam verändern möchten.

Dazu wäre „eine grundlegende Überarbeitung des Bildungssystems in der islamischen Welt“ nötig, um kritisches Denken zu fördern und das Individuum gegenüber dem islamischen Konformismus zu stärken. „Wir dürfen nichts beschönigen“, andererseits „glaube ich daran, dass die Reformation des Islam bereits begonnen hat.“

III.

Nichts beschönigen, aber auch nicht weichen. Dumm ist das offenbar unvermeidliche, doch grundfalsche Ceterum Censeo des Präsidenten des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, des CDU-Abgeordneten Thomas Sternberg: Der gewalttätige islamische Terrorismus sei „zutiefst unislamisch“. Na dann! Dann ist eben auch die Deklassierung von Christen in islamischen Ländern und die Christenverfolgung in deutschen Flüchtlingslagern nur ein ganz und gar unislamisches Versehen, oder wie Sternberg sagt, „kein systematisches, flächendeckendes Vorgehen.“ Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.

Um es noch deutlicher zu machen: Für außerordentlich beschränkt halte ich die Entscheidung, AfD-Schwarzseher auf dem Katholikentag in Leipzig nicht mitdiskutieren zu lassen. Sternbergs Begründung: Die AfD bedrohe durch ihre Haltung zum Islam auch das Christentum. Dies ist die Logik einer Krähe, die einer anderen Krähe kein Auge aushacken will, aber gar nicht merkt, dass die andere Krähe keine Krähe ist, sondern, sagen wir, ein Flugsaurier.

Wie kann sich ein aufgeklärter Christ auf diese Weise mit menschenfeindlichen Überzeugungen identifizieren? Wer den Islam kritisiere, so Sternbergs Logik, setze auch „die Axt an die Wurzel der bewährten religionsfreundlichen Ordnung in Deutschland“. Hier lässt er die Katze aus dem Sack. Sternbergs Borniertheit folgt der Formel: Wer an irgend einen Gott glaubt, ist schon irgendwie in Ordnung. Seine Idiotie ist ein Kamel, das weder durchs Nadelöhr der Toleranz passt, noch durch das des Glaubens. Religionsfreundlichkeit ist kein Freibrief. Religionsfreundlichkeit auf der einen, bedingt Weltfreundlichkeit auf der anderen Seite. Wenn religionsfreundliche offene Gesellschaften nicht wehrhaft bleiben, sind sie auf dem besten Weg zurück in die geschlossene Gesellschaft. Nicht wenige Anhänger der neuen Rechten wünschen sich vermutlich genau dies.

Habe ich mich klar genug ausgedrückt? Ich fürchte nein. Ich bin wohl doch ein rettungsloser Verharmloser beziehungsweise islamophober Scharfmacher. As you like it.

In diesem Sinne schönen Sonntag!

Wolfgang Herles

Chuzpe

Seit gestern muss der Begriff Chuzpe neu definiert werden. Bedeutete er bis eben eine Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit, die zum Einatz kam, wenn jemand in einer eigentlich verlorenen Situation mit Dreistigkeit noch etwas für sich herauszuschlagen versuchte, so ist es nun die Schamlosigkeit eines Elternmörders, der vor Gericht um mildernde Umstände bittet, weil er Vater und Mutter verloren hat.

Nein, es ist noch mehr. Eine Mischung aus Kretinismus und einem unheilbar gesunden Gewissen.

Bernd Riexinger hat auf dem Parteiag der Linken eine Rede gehalten, in der er u.a. gesagt hat: „Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass sie (die AfD) landet, wo sie hingehört, nämlich auf dem Müllhaufen der Geschichte.“ Hier ab 0:45
Die Linke und die AfD fischen im selben Becken. Und weil die Fische inzwischen bei der AfD öfter anbeißen als bei der Linken, geraten die Genossen in Panik und vergessen, woher sie kommen: Direkt vom Müllhaufen der Geschichte.

Die Linkspartei hat eine beispiellose Metamorphose hinter sich, vergeichbar einer jungen Nutte, aus der im Laufe der Zeit eine alte Betschwester wude. Die Stationen hießen: SED - SED/PDS - PDS - Linkspartei/PDS - Die Linke, geschickter lässt sich die Herkunft nicht verschleiern. Auf dem langen Marsch von der Staatspartei der DDR, die u.a. auch für das Grenzregime und die Mauertoten verantwortlich war, zu einer Truppe, die für soziale Gerechtigkeit kämpft und Reichtum für alle fordert, wurden Biografien umgeschrieben und Millionen verschoben. Noch heute sitzen in der Bundestagsfraktion der Linken ehemalige Stasi-Spitzel und Antisemiten, die das antizionistische Erbe der DDR pflegen. Die Linke kommt nicht nur aus dem Müllhaufen der Geschichte, sie ist der Müllhaufen der Geschichte.

Wenn Riexinger nun dazu aufruft, die AfD dorthin zu schicken, wo er und die Seinen herkommen, dann folgt er nicht nur der alten DDR-Parole „Vorwärts immer, rückwärts nimmer!"; er bietet auch seine Dienste bei der Bekämpfung negativ-zersetzender Elemente an. Das hat man davon, dass nach der Wende versäumt wurde, die SED als eine „verbrecherische Organisation“ zu verbieten. So bekommen frühere Rattenfänger die Chance, sich als Kammerjäger zu bewähren.  Henryk Marcin Broder

Lucke und Henkel sind zu früh ausgetreten


DIE ZEIT: Herr Kruse, letztes Jahr haben Sie gesagt, die AfD sei nicht mehr Ihre Partei. Jetzt schämen Sie sich für Teile des neuen Programms, finden Passagen "unsäglich", "frauenfeindlich" oder "kompletten Schwachsinn". Wie sehen Sie Ihre Rolle in der Partei?
Jörn Kruse: "Unsinn" und "Schwachsinn" habe ich im ersten Ärger leider so gesagt. Ich würde diese Worte nicht mehr verwenden, aber zu den Inhalten stehe ich. Sie geben meine Meinung wieder und nicht die der AfD-Fraktion in Hamburg. Zum Beispiel sind die Positionen des AfD-Bundesprogramms zu Familie, Kindern und Frauen für mich unakzeptabel. Ich hätte mir deutlichere Aussagen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewünscht.
ZEIT: Deutschland, das wirtschaftlich erfolgreichste Land der EU, erscheint in den Aussagen Ihrer Partei als marode und praktisch dem Untergang geweiht. Hat Bürgermeister Olaf Scholz recht, wenn er die AfD eine "Schlechte-Laune-Partei" nennt?
Kruse: Woher Sie die Meinung haben, die AfD halte Deutschland für "marode und praktisch dem Untergang geweiht", ist mir wirklich schleierhaft. Die meisten AfDler sind stolz auf Demokratie, Rechtsstaat, Liberalität und Wohlstand in unserem Land und warnen eher vor einer Politik, die das infrage stellt oder gefährdet.
ZEIT: "Zerstörung des Rechtsstaats", "Vetternwirtschaft und Filz", die "volkswirtschaftlich nicht tragfähige Masseneinwanderung", die "orientierungslose" Außenpolitik und so weiter – all das steht in Ihrem Parteiprogramm. Was ist mit den Ressentiments, die Olaf Scholz ansprach: Hat die AfD etwas gegen, sagen wir, 68er, Muslime, Linke oder Feministinnen?
Kruse: Die AfD hat nichts gegen 68er, ich bin ja selbst einer. Wir haben auch nichts gegen Muslime, wohl aber gegen Salafisten und Dschihadisten. Die AfD hat nichts gegen Linke, solange sie nicht gewalttätig werden. Wir müssen ihnen ja nicht zustimmen. Feministinnen sind für viele AfDler ein rotes Tuch. Aber das müssen beide Seiten aushalten. 
 ZEIT: Die SPD will die AfD künftig in die konkrete thematische Auseinandersetzung zwingen. Das klingt nicht gut, oder?
Kruse: Das klingt sehr gut, denn dann kommen wir endlich zu einem inhaltlichen Diskurs. Darauf freuen wir uns.
ZEIT: Wir auch. Herr Kruse, akzeptiert die AfD von heute eigentlich noch die Ergebnisse demokratischer Wahlen?
Kruse: Natürlich, die AfD ist die demokratischste Partei Deutschlands. Lesen Sie Kapitel eins unseres Parteiprogramms.
ZEIT: In der Passage über die Grundwerte steht, ein politisches Kartell habe die Macht ergriffen, kontrolliere den Zugang zu politischer Information, und das Staatsvolk müsse diesen, wir zitieren, "illegitimen Zustand" beenden.
Kruse: Das Wort Kartell würde ich nicht verwenden, dafür gibt es zu viel Konkurrenz zwischen den Parteien. Aber dass wir eine Herrschaft von relativ wenigen Berufspolitikern haben, ist ein Faktum.
ZEIT: Was Sie Herrschaft nennen, ist das Ergebnis demokratischer Wahlen. Was daran ist illegitim?
Kruse: Daran ist gar nichts illegitim. Aber wenn bestimmte Teile der Bevölkerung oder Gruppen hinten runterfallen, würden Sie das auch für demokratisch legitimiert halten? Es kommt eine neue soziale Frage auf, viele Leute sind heute unrepräsentiert, die mit einfacher Beschäftigung ihre Miete zahlen müssen. Und diese Leute haben schlicht Angst vor einer unkontrollierten Zuwanderung. In Hamburg haben wir am meisten Wähler in den Stadtteilen, in denen es den Leuten nicht so gut geht, zum Beispiel in Jenfeld oder Wilhelmsburg.
ZEIT: Eine Volkspartei braucht mehr als ein Milieu.
Kruse: Die AfD wird noch auf längere Sicht keine Volkspartei sein.
ZEIT: Warum nicht?
Kruse: Weil sie dazu zu sehr auf einzelne Positionen setzt, die derzeit im politisch-medialen Diskurs noch als randständig gelten. Die sind für die Demokratie enorm wichtig: Die Positionen muss man besetzen, damit sie diskutiert werden. Aber eine echte Volkspartei muss weite Teile der Bevölkerung über lange Zeit erreichen.
ZEIT: Noch zu den Politikern, denen es angeblich nur um Macht, Status und ihr eigenes materielles Wohlergehen geht. Würden Sie uns ein paar Namen nennen?
Kruse: Ich will Ihnen das lieber abstrakter sagen. Wenn man sich das politische Personal anschaut, dann sind das zu einem Teil Leute, die in einem normalen, anspruchsvollen Beruf keine Karriere gemacht haben, eventuell weil sie sich früh für die Politik entschieden haben. Das Berufspolitikertum ist ein Problem.
ZEIT: Wir könnten dem Gedanken leichter folgen, wenn wir dabei an konkrete Personen denken würden. Von der Bundeskanzlerin zum Beispiel würde kaum jemand sagen, dass sie mittelmäßig oder nur an ihrem materiellen Vorteil interessiert sei. Sehen Sie das anders?
Kruse: Ich werde jetzt keine Namen nennen. Das werden Sie sicher verstehen.
ZEIT: Wir hätten es gut gefunden, wenn Sie jetzt mal konkret geworden wären.
Kruse: Ich sehe schon die Schlagzeile, die Sie daraus gemacht hätten.
ZEIT: Wir sehen die denkbar scharfe Formulierung Ihres Parteiprogramms, das eine ganze politische Klasse verdammt. Und dann kein einziger Name, das finden wir etwas schwach.
Kruse: Sie haben mir oben ein Zitat vorgehalten, das nicht von mir stammt.
ZEIT: Es stammt aus dem Grundwerteabschnitt Ihres Parteiprogramms.
Kruse: Der Ausgangspunkt unseres Gesprächs ist ja, dass ich mit einzelnen Punkten dieses Parteiprogramms meine Schwierigkeiten habe.
ZEIT: Liegt das daran, dass die Fundamentalisten das Ruder übernommen und die Professoren zurückgedrängt haben?
Kruse: Einige Professoren sind im Sommer 2015 aus der AfD ausgetreten. Und die Fundamentalisten haben jetzt nicht das Ruder übernommen, aber sie haben zu einzelnen Punkten offenbar mehr Einfluss, als mir recht ist, auch mit Blick auf die weitere Entwicklung der Partei. Damit sie und die sehr Konservativen nicht die Oberhand gewinnen, fechte ich diesen Kampf jetzt auch öffentlich aus. Das ist für mich auch ein Stück Psychohygiene. Von meinen Freunden aus dem akademischen Leben werde ich ja gefragt: Sag mal, wie hältst du es eigentlich aus in dem Laden? Ich muss ihnen sagen: Ich bin zwar in der Partei, aber das heißt nicht, dass ich alles billige, was die Partei beschließt.
ZEIT: Die Ironie der Geschichte ist doch, dass die AfD ausgerechnet jetzt sehr erfolgreich ist, da die liberalen Gründer ausgetreten sind. Ist das Zufall?
Kruse: Ja. Das ist der historische Zufall der Migrationskrise. Ein Teil der Leute, denen ich politisch näher stehe als den Führungskräften der jetzigen Bundespartei, ist ausgetreten. Die fehlen der AfD jetzt schmerzlich. Leider haben das noch nicht alle verstanden.
ZEIT: Sind Lucke, Henkel und die anderen zu früh ausgetreten?
Kruse: Ja, sind sie. Wenn sie dabeigeblieben wären, hätten sie die Richtung der Partei mitbestimmen und hier und da präzisere Alternativen zu dem formulieren können, was derzeit in bestimmten Bereichen von der Partei gesagt wird.
ZEIT: Fühlen Sie sich im Stich gelassen?
Kruse: Nein. Die glauben eher, dass ich sie im Stich gelassen habe. Ich stehe der Partei seit Langem kritisch gegenüber, aber ich finde ein Parlament viel wichtiger als eine Partei. Viele Dokumente gehen über meinen Tisch, ich rede auf Empfängen mit Leuten, die ich sonst nie kennengelernt hätte. Vorher habe ich die Welt vor allem aus der akademischen Perspektive und der eines Unternehmens- und Politikberaters gesehen.
ZEIT: Dabei sein ist alles?
Kruse: Es ist wirklich so. Dadurch, dass ich jetzt im Parlament bin, wende ich einen Teil meines früheren Know-hows praktisch an. Außerdem habe ich mein Leben lang über Demokratie nachgedacht, aber sie nie selber praktiziert.
ZEIT: Spannende Einblicke sind die eine Seite. Andererseits sind Sie jetzt das liberale Aushängeschild einer rechtspopulistischen Partei.
Kruse: Die Partei ist im letzten Sommer ein Stück nach rechts gerückt. Deshalb habe ich damals sämtliche Parteifunktionen niedergelegt. Aber ich habe trotzdem die Hoffnung, dass sich das verändert, wenn die westlichen Bundesländer mehr Gewicht erhalten und stärker die bürgerlichen und liberalen Aspekte einbringen.
ZEIT: Und, werden sie das schaffen?
Kruse: Es ist noch möglich. Es hängt von uns ab. Wir dürfen die Chance nicht vertun. Dazu dienen auch meine öffentlichen Äußerungen, die einigen AfD-Mitgliedern nicht gefallen. Ich bin mit meiner Unabhängigkeit einer der wenigen, die dazu in der Lage sind. Die meisten können es nicht, weil sie in der Partei vorankommen wollen.
ZEIT: Sogar Ihre Frau ist ausgetreten.
Kruse: Sogar meine Frau, ja.
ZEIT: Sind Sie in Ihrer Partei isoliert?
Kruse: Wenn ich mich morgen auf einem Parteitag der AfD um eine Position bewerben würde, würde ich durchfallen.
ZEIT: Wie lange halten Sie diesen inneren Zwiespalt noch aus?
Kruse: Weiß ich nicht. Aber Sie dürfen nicht glauben, dass ich leide.
ZEIT: Trotz Rücktrittsforderungen?
Kruse: Ja. Wenn man in der Politik ist, muss man Ölzeug anhaben. Da läuft alles dran ab.
ZEIT: Ihrem Programm zufolge gilt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung allenfalls noch mit Einschränkungen, wenn es um Themen wie Migration und Flüchtlinge geht. Würden Sie mal ein paar Dinge sagen oder andeuten, die man nicht mehr sagen darf?
Kruse: Man darf zum Beispiel nicht sagen, wie viele Zuwanderer aus Marokko Kleinkriminelle sind. Das darf man öffentlich nicht sagen und das sage ich Ihnen jetzt auch nicht.
ZEIT: Nur zu, wir hätten damit kein Problem. Die einzige uns bekannte Partei, die in letzter Zeit wegen Meinungsäußerungen zu diesem Thema Sanktionen gegen einen Politiker ergriffen hat, zudem noch gegen einen gewählten Abgeordneten, ist Ihre Partei. Gilt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht auch für Ihren Parteifreund Flocken?
Kruse: Gegen Herrn Flocken lief schon ein Parteiausschlussverfahren, bevor er die fragwürdige Rede in der Bürgerschaft gehalten hat. Es ging darum, dass er sich weigerte, nach seinem Austritt aus der AfD-Fraktion sein Mandat zurückzugeben, und darum, dass er an zwei Demonstrationen rechter Organisationen teilgenommen hat, die wir nicht billigen können.
ZEIT: In Hamburg sind sich rechts des Regierungslagers alle Fraktionen darin einig, die wichtigsten Vorhaben der Regierung abzulehnen. Was unterscheidet Sie eigentlich von CDU und FDP?
Kruse: Die CDU verhält sich auch in Hamburg konform zur Position der Kanzlerin. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich von einigen Abgeordneten, dass sie das durchaus kritisch sehen.
ZEIT: Der größte Unterschied zur Hamburger CDU ist, dass deren Abgeordnete die Politik der Bundesregierung ähnlich sehen wie Sie, aber sich öffentlich anders äußern?
Kruse: Die CDU versteht sich in Hamburg als die Oppositionspartei, was sie im Grund auch ist, trotz ihrer lächerlichen 15,9 Prozent. Und als die Oppositionspartei versucht sie, die Schuld an allen Folgen der Berliner Flüchtlingspolitik Herrn Scholz zu geben. Herr Trepoll macht das manchmal mit Worten, wo ich sagen würde: Könnte es nicht eine Nummer kleiner sein?
ZEIT: Die CDU ist Ihnen zu radikal?
Kruse: In seiner Kritik an Herrn Scholz ist mir Herr Trepoll manchmal ein bisschen zu laut. Insbesondere wenn man bedenkt, dass die meisten Probleme in Berlin gemacht werden, wo die CDU die Kanzlerin stellt.
ZEIT: In Hamburg hat die CDU alle wichtigen Themen besetzt, Flüchtlinge, Verkehr, innere Sicherheit. Wie hat sie das geschafft?
Kruse: Zunächst ist sie eine Partei, die es schon lange gibt, die an der Regierung war, sie hat viel Erfahrung. Sie hat zum Teil auch gute Leute. Und ich würde nicht sagen, was die machen, ist Mist, die machen auch einige gute Sachen. Übrigens gilt das ebenfalls für andere Politiker. Es gibt einige Politiker der Grünen, die ich sehr respektabel finde. Ich könnte natürlich jetzt auch SPD-Politiker nennen. Das sind Leute, die machen gute politische Arbeit. 
ZEIT: Wenn Sie jetzt so weitermachen, haben Sie am Ende das ganze Machtkartell gelobt.
Kruse: Es wäre ja schlimm, wenn ich keinen loben könnte. Denn die regieren ja unsere Stadt.   ZEIT

Markus Wehner

BERLIN. Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland hat den Vorwurf zurückgewiesen, den Fußball-Nationalspieler Jérôme Boateng beleidigt zu haben. „Ich habe nie, wie die FAS insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten“, teilte Gauland mit.
Anlaß ist ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), in dem Gauland zitiert wurde, Boateng werde zwar als Spieler der Nationalmannschaft geschätzt, dies bedeute aber nicht, daß er nicht als fremd empfunden werde. „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“, soll Gauland laut FAS gesagt haben.

Gauland will am Montag juristische Schritte prüfen lassen, sagte er gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, wenn die FAS den in der Überschrift geäußerten Vorwurf der Beleidung, der ein Straftatbestand ist, nicht zurücknehme.
„Ich habe in dem vertraulichen Hintergrundgespräch die Einstellung mancher Menschen beschrieben, aber mich an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind“, betonte der 75jährige. Gegenüber der JF erklärte Gauland, er habe von seiner Seite aus Boateng gar nicht erwähnen können, da er ihn bis dahin gar nicht gekannt habe.
Gauland selbst empfindet es als Skandal, daß die FAZ-Redakteure überhaupt aus einem als ausdrücklich vertraulich verabredeten Hintergrundgespräch zitieren. Er bestreitet gegenüber der JF, lediglich einen Teil des Gespräches gegenüber den Journalisten als vertraulich klassifiziert zu haben.

Zuvor hatte die F.A.S. Stellung genommen und erklärt, die Äußerung von Gauland stammten aus einem Gespräch, das der Alternative für Deutschland-Vize mit den Korrespondenten der FAZ und der FAS Eckart Lohse und Markus Wehner am Mittwoch in Potsdam geführt hätten. „Beide Kollegen haben die Passage aufgezeichnet, ihre Aufzeichnungen stimmen überein. Wie in früheren Gesprächen auch bestand Herr Gauland nicht auf einer Autorisierung von Zitaten. Herr Gauland stufte nur den Teil des Gesprächs, in dem er sich über AfD-Führungspolitiker äußerte, als Hintergrund ein und bat, daraus nicht zu zitieren.“ Daran habe sich die FAS gehalten.
Der Deutsche Fußball-Bund reagierte empört auf die von der FAS Gauland zugeschriebenen Äußerungen. Es sei „einfach geschmacklos“, die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft „für politische Parolen zu mißbrauchen“.
Auch Bundesjustizminiter Heiko Maas teilte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter seine Ablehnung gegenüber Gaulands Aussagen mit:
AfD-Chefin Frauke Petry schrieb auf Twitter, Boateng sei „ein Klasse-Fußballer und zu Recht Teil der deutschen Nationalmannschaft“.   JF


Die FAZ sieht mittlerweile ihre Hauptaufgabe in der Meinungsmanipulation und in der Verleumdung all dessen, was rechts von den Grünen existiert. Eine derartig niveaulose Entwicklung hätte ich noch vor zehn Jahren für völlig unmöglich gehalten.

Noch vor wenigen Tagen hatte Markus Wehner in seinem Artikel über Anschläge auf AfD-Mitglieder bewiesen, dass man auch objektiv über die AfD berichten kann und dass er einer der wenigen in den Leitmedien ist, die sich trauen, es auch zu tun. Nun will er offenbar der Meute seiner hemmungslos diffamierenden Kollegen zeigen, dass ihm keine Sympathie für diese Schmuddelkinder vorzuwerfen ist.

Wie umgehen mit Verleumdung?

Nicht erst, nachdem wir Uwe Krügers medienkritische Bücher gelesen, genossen, ja geradezu inhaliert haben, wissen wir, was von den Leitmedien und Deutungseliten zu halten ist. Dafür sind wir zu lange im sogenannten Geschäft. Noch weniger als „völkisch“, „krude“, „rechtsradikal“ sind wir das: naiv.

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten oder zweiten Fernsehauftritt, jedenfalls im ZDF („Tagesthemen“), vieltausend Jahre her; ich war ungefähr zwanzig Jahre alt:
Nach der unerfreulichen „Maske“ („Sie wollen Ihren geflochtenen Zopf wohl nicht auflösen? Gott, wie peinlich!“) umarmte mich der Moderator recht herzlich: „Ihr erster TV-Auftritt? Keine Bange, wird gaanz locker!“ Seine erste live-Frage im Studio lautete dann in etwa: „Wie wollen Sie dem Eindruck begegenen, Sie seien antidemokratisch, womöglich gar antisemitisch?“.

Also: Man kennt die Pappenheimer längst; ihre Unterstellungen, Insinuationen, Auslassungen. Man könnte sie ignorieren. Nur: Ignorieren sie uns dann auch? Iwo.
Macht es einen Unterschied? Ob man sie pinseln läßt, ohne den eigenen Senf dazuzugeben oder ob man abermals den Versuch unternimmt, im Gespräch zu klären, zu begründen?
Nicht immer. Ein (jüngeres und harmloses) Beispiel unter vielen: Mit dem Deutschlandfunkkorrespondenten für Sachsen-Anhalt hat man gesprochen. Gut: eher gezankt, aber egal. Gesendet hat er letztlich unter anderem, wir würden unseren Töchtern vorschreiben, Röcke zu tragen – was eine einigermaßen krasse Sitte wäre.
Wir haben dergleichen nie befohlen, im Netz findet sich sogar ein Eintrag aus meiner Feder, in dem ich beschreibe, wie ich meine Töchter (aus pragmatischen Gründen, aber erfolglos) zu Hosen überreden will. Wir haben mit dem DLF-Mann keine Sekunde über Bekleidung geredet, er wird das faule Gerücht irgendwo aufgeschnappt und abgeschrieben haben.

Zu unserer Pirinncci-Lesung vor zehn Tagen hatte Christoph Richter, jener Reporter, sich angemeldet, war aber nicht erschienen. Was insofern schade war, als er die anwesenden Mädchen herzlich gern persönlich zur Röckethematik hätte befragen können. Das Röckeding, nochmal, ist ein völliges Nebenthema, aber es dient ganz gut zur Erzeugung von vagen Stimmungen. Motto: Was ist das für ein Haushalt, in dem Kleidungsvorschriften von annodazumal herrschen?

Gut: Warum gibt sich unsereins überhaupt mit „diesen Leuten“ ab? Hoffnung? Eitelkeit? Taktik? Ach! Zur Zeit kommen auf 10 Anfragen etwa 8 Absagen. Warum mit jener bekanntermaßen einfältigen Tante/ jenem bornierten Onkel sich treffen? SPIEGELfrollein: never!
Kubitschek (an den die Anfragen ja gerichtet sind) täte ohne meine Einflüsterungen viel weniger zulassen. Ich, nennen Sie mich naiv, denke mir: Wir haben erstens nichts zu verlieren, zweitens nichts zu verbergen. Und im Zweifelsfalls wird ohnehin gemäß der geltenden Agenda berichtet. Einer Agenda, die bekanntermaßen längst fadenscheinig geworden ist.
Ein Wochenausschnitt:

1. Nur sehr mittelbar beteiligt. Sehr kluges, ja: gelehriges Gespräch zwischen zwei ZEIT-Redakteuren und Marc Jongen. Bemerkenswert, wie druckreif und überlegt (möchte sagen: überlegen) Jongen, „der philosophische Kopf der AfD“ spricht. Dixit (auf die Frage, ob „Identität“ eine kulturelle, eine staatsbürgerliche oder eine ethnische Kategorie sei) :
„Natürlich hat es zwischen Völkern und Nationen immer Austausch gegeben, natürlich konnte ein Fremder immer deutscher werden, davon zeugen die vielen eingebürgerten Namen von Klonovsky bis Kubitschek. Diese Menschen sind nicht weniger deutsch als andere, oft im Gegenteil. Das kann aber zugleich nicht heißen, dass man innerhalb kurzer Zeit das gesamte Volk durch Afrikaner und Araber ersetzen könnte ohne eine völlige Änderung seines Charakters.“
(Logisch wird das Interview durch ein Hirschgeweih illustriert. Sie können nicht anders.) Küßchen für meinen Gutintegrierten! Von einer Gutintegrierten!

2. Einen Abend lang waren Tuvia Tenenbom und seine Frau Isi bei uns zu Gast. Tenenboms aberwitziges Buch „Allein unter Deutschen“ war ein Hit, sechsstellige Verkaufszahl. Der Typ ist nicht ohne – auch nicht ohne Chuzpe. Wir hatten zugesagt unter der Bedingung: Wenn gefilmt wird, dürfen wir das Filmen filmen. Lückenpresse: no, thanks!
So war es die ersten Minuten lang ein Wettstreit der Kameras. Dann wurden (rasch) die waffenartigen Geschütze niedergelegt. Mit den Tenenbaums haben wir uns großartig verstanden – selbst etwaige Tarnmanöver miteingerechnet. Sind sie Trickster, dann jedenfalls sehr sympathische. Die beiden Kameraleute sagten: „Wir haben ja den FAZ-Artikel über Sie gelesen. Uns war klar, daß wir eine Art Horrorhaushalt betreten. Ein Absurditätenkabinett. Lustig, das ziemlich alles anders ist.“

3. Eine sehr junge WELT-Journalistin wurde empfangen. Typ: intelligente, aufgeweckte Frau urbanen Typs, die wie ihre populären Schreibeschwestern im Geiste viel mit „ja eigentlich“, „irgendwie“ und „für mein Gefühl“ operiert, die sehr up-to-date ist, sich schreibend gern beim Nachdenken zusehen läßt; viel Meinung und Bauchstimmung, wenig wirkliche Haltung, eine klassische weibliche Kletterpflanze. (Braucht ein Gerüst zum Ranken, blüht dann zweifellos recht hübsch; jede Zeitung hält sich eine Ronja von Rönne, eine Antonia Baum etc.) Tollste Frage: „Ist ja vielleicht schön, wie Sie hier leben; Land, Rittergut, viele Kinder, Ziegenhaltung undsoweiter. Aber ist das nicht ziemlich undemokratisch?“ – „???“- „Naja, weil, Sie wollen das ja irgendwie allen anderen vorschreiben. So zu leben wie Sie.“

4. Ein Abend später. Wieder sehr lustig. Zwei kluge Typen. Schon klug, nicht bloß schlau. Kundige Jüngerleser. Aber mit Ticks. Sehen sowohl in Hitler und seiner Anhängerschaft als auch in Frauke Petry sexuelle Neurosen wuchern. Fragwürdige Hinführung, fundiert etwa durch Petrys „konvulsivisches Gelächter“. Sehen in Kubitscheks Arbeit und Handeln ein „Liebesproblem“. Finden, es sei ein „nationaler Sozialismus“, den er pflegt & befördert. Naja. Wir werden es sehen. Heißt, lesen. Es gibt Metapolitik und „Politik dritter Hand“. Schon okay so.   Ellen Kositza

Kriminalstatistik 2015

"...Und was bedeutet es für die Kriminalstatistik, wenn Polizeibeamte– Beispiel Kiel – angewiesen werden, „kleinere“ Delikte von Asylbewerbern gar nicht erst zu verfolgen? Auch anderswo äußerten Polizisten hinter vorgehaltener Hand Unmut über derartige Vertuschungsvorschriften. Wie ein Hohn wirkt es da, wenn die PKS in diesem Jahr ausländerrechtsspezifische Straftaten gesondert herausrechnet, um trotz Millionen-Asylzuzug zu konstanten Deliktzahlen zu kommen...."  Michael Paulwitz


Grundsätzlich gilt...

Unter der Lupe zeigt sich...

Michael Leh meint

Apropos Statistik 2016...

Die ganze Welt lacht uns aus

Nein, es steht nicht gut um das so genannte EU-Türkei-Abkommen, dem wichtigsten – wenn nicht sogar einzigen – Baustein der Merkelschen Strategie zur Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Die ebenso unfein wie treffend „Flüchtlingsdeal“ genannte Vereinbarung hatte von vornherein so grundlegende Konstruktionsfehler, dass ihre Halbwertszeit ohnehin begrenzt erschien. Doch gut zwei Monate nach seinem Abschluss ist fraglich, ob der „Deal“ auch nur die nächsten Wochen überlebt – zum Glück, wie man ergänzen muss.
Sollbruchstelle des gesamten Arrangements ist, wie nicht anders zu erwarten, die in Aussicht gestellte Liberalisierung des Visarechts, mit der sich die EU die zumindest oberflächliche Kooperation Ankaras in der Flüchtlingskrise erkaufte.

Denn im Zweifelsfall ersetzt sie nur die Nationalität der Migranten, und anstelle von Afghanen und Syrern kommen türkische Staatsbürger – nur eben sehr viel umkomplizierter und legal.
Langsam dämmert es auch der blauäugigen deutschen Politik, dass genau das eines der Ziele Erdogans sein könnte. Etwa, indem er in den kurdischen Siedlungsgebieten einen Massenexodus provoziert, um deren Osmanisierung voranzutreiben. Allein seit Februar sind über 200.000 Menschen aus den kurdischen Gebieten der Türkei geflohen.

Für einen kurzfristigen Vorteil – wenn überhaupt – hat sich Brüssel langfristig von Ankara abhängig macht, das nun qua Visafreiheit ein wunderbares Instrument der Migrationssteuerung in Händen hält. Umso ängstlicher klammert man sich an die inzwischen berühmte Auflage 65 des Abkommens, in der die EU von der Türkei eine Neudefinition des Terrorbegriffs fordert.
Doch man darf sich nichts vormachen: Solange Recep Erdogan und seine AKP etwas in der Türkei zu sagen haben – also auf unbestimmte Zeit –, wird es de facto keine entsprechenden Reformen geben. Die Aufhebung der Immunität von einem Viertel der türkischen Abgeordneten in der vergangenen Woche spricht Bände. Was mit Blick auf die EU oder die Bundesregierung natürlich nichts bedeuten muss, denn hier gibt man sich erfahrungsgemäß auch mit halbgaren Versprechungen zufrieden.
Wie im Kern verfehlt die auf deutschen Druck betriebene Türkei-Politik der EU ist, zeigt ein nicht unerhebliches, aber in der Öffentlichkeit kaum beachtetes Detail: die Auswahl der Flüchtlinge, die die Türkei in die EU schickt.
Da sich die EU verpflichtet hat, für jeden in die Türkei abgeschobenen Migranten einen syrischen Flüchtling aufzunehmen, kommt der türkischen Regierung bei deren Auswahl die Schlüsselrolle zu. Erdogan freut’s.
Und tatsächlich: Wie verschiedene EU-Länder nach einigen Wochen feststellten, schickt die Türkei nicht etwa Ärzte, Anwälte und Ingenieure, sondern vor allem Ungebildete und medizinische Härtefälle, und hindert hochqualifizierte Flüchtlinge daran, auszureisen.

Ein Grund dafür ist: Die EU hat der Türkei bei der Auswahl der Flüchtlinge international unübliche Sonderrechte eingeräumt. Besonders nachdenklich stimmt, dass die türkische Regierung mit der Betreuung der Flüchtlinge ausgerechnet die IHH beauftragt hat. Diese fundamentalistische, der Muslimbruderschaft und der Hamas nahestehende, sich als humanitäre Hilfsorganisation gebärdende Gruppe hatte 2010 die berüchtigte Gaza-Flotille mitinszeniert. Und sie unterstützt islamistische Milizen, wie das Danish Institute for International Studies schon vor 10 Jahren feststellte. Nun auch aus EU-Milliarden.
Es bedarf nur eines Hauches an Realitätssinn, um sich auszumalen, wie die Auswahl der von der IHH in die EU geschickten syrischen Flüchtlinge aussehen wird: Ganz oben auf der Liste werden nicht nur die schlecht Ausgebildeten und Schwerkranken stehen, sondern auch die ideologisch Genehmen. Jene besuchen eifrig die von der IHH eingerichteten Moscheen, werden fundamentalistisch indoktriniert und bekommen die Kontaktadressen der DITIP-Gemeinden in Deutschland mit auf den Weg.

Liberale, säkulare Syrer, die vor Assad ebenso geflohen sind wie vor den IHH-Freunden, den islamistischen Milizen, haben hier selbstredend keine Chance. Dass diese Farce von der EU finanziert wird, ist beschämend.
Die deutsche Außenpolitik sollte sich schnell von dem unsinnigen Axiom verabschieden, der Türkei käme bei der Lösung der Flüchtlingsfrage oder der Syrienkrise eine Schlüsselrolle zu. Das ist nicht der Fall. Erst Berlin wertet Ankara auf, macht sich damit erpressbar und ermöglicht Erdogan so sein doppelzüngiges Spiel.
Mit Realpolitik, wie mitunter kolportiert, hat das deutsche Vorgehen wenig zu tun. Realpolitik, die ihren Namen verdient, geht von der Realität aus. Und die lautet, dass die AKP eine fundamentalistische, nationalistische Partei ist, die militante Islamisten unterstützt, Konflikte in der Region schürt, um sich unentbehrlich zu machen und linientreue Anhänger als zusätzliche Machthebel in die EU schleust. Es wird Zeit, diesem Spiel ein Ende zu setzen.   Alexander Grau

Mehr Kopftuchträgerinnen bitte!


Samstag, 28. Mai 2016

Genauer hinsehen lohnt sich

„Die Zahl politisch motivierter Straftaten in Deutschland hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Im vergangenen Jahr registrierten die Sicherheitsbehörden fast 39.000 Fälle in diesem Bereich. Den Großteil machen rechtsextremistische Straftaten aus.“ So oder ähnlich vermeldeten die Medien landauf und landab die Präsentation der neuen Kriminalstatistik für das Jahr 2015. Und um das zu untermauern - schließlich geht es ja um eine Statistik -  lieferten Nachrichtenagenturen und Nachrichtenredaktionen auch einen Beweis für das gerade Geschriebene: Besonders deutlich war der Zuwachs im vergangenen Jahr bei den rechtsextremistischen Straftaten: Die Polizei registrierte hier knapp 23.000 Fälle, ein Plus von 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Statistik weist auch 18 Prozent mehr linksextremistische Straftaten aus - insgesamt rund 9.600. Die übrigen Fälle in der Kategorie „politisch motivierte Straftaten“ können nicht genau zugeordnet werden oder fallen in den Bereich Ausländerkriminalität.
Nicht schön, aber solche Zahlen passen immerhin gut zum meistpublizierten Weltbild, in dem die mit Abstand  größte Gefahr von rechts ausgeht. Auch die staatlichen Fördermittel zur Extremismusbekämpfung fließen schließlich vor allem all jenen zu, die mutig die Rechten bekämpfen wollen.

Aber stimmt das auch so? Nein, selbstverständlich wollen wir hier keine amtliche Statistik anzweifeln. Aber vielleicht ist es erhellend, einmal die Zahlen selbst sprechen zu lassen. Selbstverständlich tauchen auch die in den Nachrichten genannten Zahlen in der Statistik auf. Doch wie entstehen sie?

Rechtsextremisten sorgen mehrheitlich mit „Propagandadelikten“ und der Verwendung verbotener Kennzeichen für Ermittlungen. Die Linksextremen setzen stattdessen mehrheitlich auf Gewalttaten. Ihre Symbole sind hingegen nicht verboten, deshalb ist es für linksextremistische Genossen ungleich schwerer ist, ein Propagandadelikt zu begehen. Das schafften sie 2015 gerade einmal in 118 Fällen, während die Rechtsextremisten stolze 12175 derartige Delikte in die Statistik einbrachten. Aber hier reicht im Zweifel schon ein Hakenkreuz oder ein Hitlergruß für einen Punktgewinn.

Wie verteilt sich nun die politisch-motivierte Kriminalität (PMK) in anderen Deliktsbereichen? Fangen wir mal mit Mord und Totschlag an. Rechte wie Linke bringen es 2015 jeweils auf acht Tötungsdelikte. Allerdings haben beide Seiten keines vollendet, die Opfer leben also noch. Interessant ist es, dass die Rechten hier erst im letzten Jahr aufgeholt haben. Im Jahr zuvor kamen die Kameraden nur auf ein versuchtes Tötungsdelikt, während es die Genossen immerhin auf 7 brachten.
Bei Körperverletzungen führen die Linken mit 1354 gegen 1177 der Rechten. Beim Landfriedensbruch sind die Rechtsextremisten aber schon weit abgeschlagen, sie schaffen gerade mal 44 Fälle, während es Linksextreme auf stolze 340 Delikte bringen.

Aber mit dem Feuer spielen die Rechten doch wohl häufiger, denn vor allem sie zünden doch Asylbewerberheime an, oder? Rechts kommt auf 102 Brandstiftungen, doch auch hier zieht Links mit 106 noch klar vorbei. Man kann ja statt Asylbewerberunterkünften auch Polizeiwachen oder Bahnanlagen anzünden. Doch gerechterweise sei gesagt, dass die rechtsextreme Zahl Ergebnis eines dramatischen Anstiegs ist, während die linksextremen Brandstiftungen rückläufig waren.

Erwartet man bei einem Delikt wie Raub eigentlich mehr rechte oder mehr linke Täter? Richtig, mehr linke, denn praktische Umverteilung ist eher eine Kernkompetenz der revolutionären Genossen. Sie führen mit 32 zu 23, wobei auch hier die Zahl der rechten Delikte gewachsen und die der linken gesunken ist.
Bei Erpressung immerhin haben die Kameraden von rechts mit 8 zu 2 einen klaren Vorsprung. Im Bereich der Widerstandsdelikte liegen sie wiederum hoffnungslos zurück: gerade mal in 94 Fällen haben sie sich handfest gegen die Staatsmacht aufgelehnt, während es die Genossen auf stolze 345 Delikte brachten.

Aber - ein weiteres Alleinstellungsmerkmal - es gab nur ein einziges politisch motiviertes Sexualdelikt im Jahr 2015. Was man sich darunter genau vorstellen muss, erklärt das Bundesinnenministerium nicht. Wir erfahren nur, dass es im Jahr zuvor, also 2014, noch kein solches Delikt gegeben hat und dass das eine politische Sexualdelikt auf das Konto der Rechten geht.

Bei Sachbeschädigung sind wieder die Linken führend (3454 zu 1451), während Nötigung und Bedrohung an die Rechten fällt (515 zu 212).

Neben den schon erwähnten Propagandadelikten liegen Rechte auch bei Volksverhetzung in Führung (4159 zu 1951), was angesichts der Verwendung verbotener Symbole auch kaum verwunderlich ist. Auch der rechte Vorsprung bei der Störung der Totenruhe (10 zu 7) ist beispielsweise durch die Versuche des „Heldengedenkens“ auf deutschen Soldatenfriedhöfen leicht erklärbar.
Dass die Rechtsextremen bei Verstößen gegen das Versammlungsgesetz so im Hintertreffen liegen (nur 711 gegen 2163 von links) hätte man wiederum nicht erwartet, denn eigentlich gewinnt man durch die Berichterstattung den Eindruck, dass mehr rechtsextreme Demonstrationen untersagt werden, als linksextreme. So kann man sich irren.

Wenigstens bei der Bewaffnung stimmen die Vorurteile wieder:  Hier führt Rechts mit 30 zu 11.

Und das Fazit? Rechnet man die Propagandadelikte heraus, geht vielleicht eine große aber nicht die größte Gefahr von den Rechtsextremisten aus. Vielleicht sollte man, damit es auch alle Berichterstatter begreifen, eine gesonderte PMK-Statistik ohne die Propagandadelikte, die wegen der verbotenen Kennzeichen fast nur von Rechtsextremen begangen werden können, ausweisen.
Bei der Ausländerkriminalität geht die Statistik bereits einen vergleichbaren Weg: Damit kein verzerrtes Bild entsteht, gibt es eine Zusammenfassung, in der die Verstöße gegen das Ausländer- und Aufenthaltsrecht unberücksichtigt bleiben, die Inländer gar nicht begehen können.

Auch diese bereinigten Zahlen des Jahres 2015 sind interessant: Nach der Kriminalstatistik gab es knapp 1,5 Millionen deutsche Tatverdächtige und mehr als eine halbe Million nichtdeutsche Tatverdächtige, wobei jeder, der einen deutschen Pass besitzt, als deutscher Tatverdächtiger zählt, auch wenn er eine zweite Staatsbürgerschaft oder einen Migrationshintergrund hat. Der nichtdeutsche Anteil ist unter Tatverdächtigen also erheblich höher als in der Gesamtbevölkerung. Außerdem ist im Verlauf eines Jahres die Zahl deutscher Tatverdächtiger um  4,9 Prozent gesunken, während die der nichtdeutschen um 12,8 Prozent gestiegen ist.

Die Zahl der „Zuwanderer“ - amtliche Definition: Zuwanderer im Sinne dieser Darstellung sind tatverdächtige Personen mit Aufenthaltsstatus „Asylbewerber“, „Duldung“, Kontingentflüchtling/Bürgerkriegsflüchtling“ und „unerlaubt“ - unter den Tatverdächtigen des Jahres 2015 lag übrigens bei 114238, gegenüber dem Vorjahr war dies ein Anstieg um 90,7 Prozent.

Das hat aber natürlich gar nichts mit der unkontrollierten Millioneneinwanderung des letzten Jahres zu tun. Auf die deutsche „Willkommenskultur“ lassen wir nichts kommen und außerdem geht die größte Gefahr von den Rechtsextremen aus. Hat auch unser Innenminister gesagt.

Vielleicht sollten wir uns die Zahlen doch nicht so genau anschauen, damit wir daran nicht zu zweifeln beginnen. Der Minister hatte ja schon vor Monaten klar erkannt, dass zu viele Informationen die Bürger nur verunsichern.
Nur um Missverständnisse auszuschließen: Der Autor dieser Zeilen will mitnichten rechtsextreme Umtriebe und Gewalt verharmlosen, sondern stört sich lediglich an der Verharmlosung anderer Arten von Extremismus und Gewaltkriminalität.
Zuerst erschienen auf Sichtplatz.de hier

Wie Pech und Schwefel


Die einigende Wirkung eines lange zurückliegenden Verbrechens: Unter Führung der Türkischen Gemeinde in Berlin haben sich über 500 Organisationen vereint - ein breites Spektrum, von der Oppositionspartei CHP über den europäischen Ableger der regierenden AKP bis hin zu den rechtsradikalen Grauen Wölfen, von islamistischen Gruppen über die DITIB-Moscheen bis hin zu säkularen Kemalisten.
So gespalten diese Gruppen in anderen Fragen sind - im Protest gegen die Armenienresolution finden sie zusammen: Über 90 Prozent der türkischen Bevölkerung lehnt zu Recht den Völkermordvorwurf ab und wertet ihn als Verleumdung, heißt es in einer Briefvorlage, die von Deutschtürken an die Fraktionen gemailt werden soll. Ein Beschluss des Bundestages wäre „Gift für das friedvolle Zusammenleben zwischen Deutschen und Türken hierzulande, aber auch in der Türkei“.  Hendryk Marcin Broder

Es gab sie

„Warum haben sich die Menschen nicht gewehrt? Warum geht man sehenden Auges zur Schlachtbank?" Das fragte der Fernsehtalker Markus Lanz die greise Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano in seiner Sendung, als sie ihm das Leben und vor allem das Sterben in dem Vernichtungslager schilderte. „Es hat ganze Aufstände gegeben“, antwortete Bejarano ihrem offenbar konsternierten Gastgeber.

Obwohl sich tausende Filme und Bücher mit der Judenverfolgung beschäftigten, blieb ein kleines, hoch bedeutendes Detail in Deutschland bisher nahezu unbekannt: der Auschwitz-Aufstand am 7. Oktober 1944. Wie sollten sich ausgemergelte Häftlinge auch gegen schwer bewaffnete SS-Männer erheben? Die israelische Historiker Gideon Greif und Itamar Levin rekonstruieren in ihrem Buch „Der Aufstand in Auschwitz“ die Geschichte der Rebellion, die gegen jede Wahrscheinlich  doch stattfand.

Eben deshalb, weil Häftlinge sich nicht zur Schlachtbank führen lassen wollten. Greifs und Levins Buch, das erste umfassende Werk zu dem Aufstand, das jetzt auch auf Deutsch vorliegt, zeichnet ein hoch auflösendes Bild aus hunderten Aussagen von Auschwitz-Überlebenden, aus Dokumenten und Recherchen.
Auf vielen Seiten liest sich ihr Sachbuch allerdings so dicht und drängend wie ein Thriller. Kein Regisseur müsste den Stoff bei einer Verfilmung noch mit Spannung anreichern. Denn alle Dramatik ergibt sich aus einem Punkt: Hitlers Deutschland ist dabei, den Krieg zu verlieren. Das wissen alle: Der für die Judenvernichtung zuständige Referent im Reichssicherheitshauptamt Adolf Eichmann, die SS-Lagerleitung in Auschwitz, aber auch die Häftlinge des so genannten Sonderkommandos im Lager. Diese Gefangenen, die „Elendesten unter den Elenden“ (Greif) hatten die Aufgabe, die Kleidung der zum Vergasen angetretenen Juden zu sortieren, die Leichen zu den Verbrennungsöfen zu transportieren und Goldzähne aus ihren Gebissen zu brechen. Dafür versorgte die SS diese Funktionshäftlinge mit Essensrationen, die ihnen das Überleben erlaubten. Durch Neuzugänge, die in ihr Kommando beordert wurden, gehörten sie zu den wenigen Häftlingen, die Nachrichten über den Kriegsverlauf aufschnappen konnten.

Weil die Zeit gegen ihn lief, trieb Eichmann seinen Vernichtungsapparat zu Höchstleistungen an. Ab Mai 1944 ließ er die ungarischen Juden zur Vernichtung deportieren, 424 000 Menschen innerhalb von 56 Tagen. Es war der letzte große Akt der Endlösung. Die meisten von ihnen kamen schon am Tag ihrer Ankunft ins Gas.
Gleichzeitig planten die im Untergrund agierende jüdische Lagerleitung und eine Gruppe innerhalb des Sonderkommandos den finalen Aufstand: er sollte die Mordmaschinerie stoppen, zumindest sabotieren und möglichst in einen Massenausbruch münden. Die Sonderkommando-Männer wussten: Sollte das Lager wegen der heranrückenden Front geräumt werden, dann würde die SS auch sie liquidieren – schließlich handelte es sich um die wichtigsten Mitwisser. Den Gefangenen ging es darum, andere Leben zu retten – aber auch ihr eigenes.

Greif und Levin erzählen, wie die zum Widerstand entschlossenen Häftlinge heimlich an beiden Seiten angespitze Speere basteln, wie sie aus den Union Metallwerken, einer Rüstungsfabrik auf dem Gelände, in der Häftlinge Zwangsarbeit leisten, unter Lebensgefahr Sprengstoff  herausschmuggeln. Daraus entstehen Handgranaten, mit Blechdosen als Hülle und Stofffetzen als Zünder. Ihr Plan ist ebenso einfach wie tollkühn: Sie wollen die Wachleute in ihrer Nähe überrumpeln, entwaffnen, die Gaskammern und Krematorien zerstören und ausbrechen – um wenigstens frei zu sterben.
Aber wann soll die Revolte stattfinden? Je näher die Rote Armee rückt, argumentiert die jüdische Lagerleitung,  desto besser stünden die Chancen, dass wenigstens einige der ausgebrochenen Häftlinge sich in ihre Richtung oder zur polnischen Untergrundarmee durchschlagen könnten. Sie beschwört die Widerständler im Juni, noch zu warten. Mitte 1944 stehen sowjetische Truppen schon bei Lublin, nur noch 350 Kilometer entfernt. Die Untergrundgruppe legt den zweiten Aufstandstermin auf den 15. August fest. Doch auch der Termin muss verschoben werden: An diesem Tag kommt ein Transport von Warschauer Juden in Auschwitz-Birkenau an, bewacht von 200 SS-Leuten. So viele Bewaffnete kann die provisorisch ausgerüstete Untergrundtruppe unmöglich überwältigen. Inzwischen ahnte der SS-Hauptscharführer Otto Moll, oberster Verantwortlicher für die Vergasung der ungarischen Juden in Birkenau, dass einige Sonderkommando-Männer untereinander konspirieren. Er lässt den Ober-Kapo Jacob Kaminski foltern, um Informationen aus ihm herauszupressen. Kaminski gehört tatsächlich zu den führenden Köpfen der Häftlingsarmee. Aber er gibt nichts preis. Auf Molls Befehl  werfen SS-Wachmänner den halbtot geschlagenen Kaminski in einen Verbrennungsofen.


Der Aufstand bricht schließlich zu einem Zeitpunkt los, den niemand plante: am Samstag den 7. Oktober gegen Mittag.  Die SS kündigt an, 300 der 663 Sonderkommando-Häftlinge sollten sofort in ein anderes Lager verlegt werden, und verlangt von den Kapos eine Selektionsliste. Allen ist klar, dass die 300 in Wirklichkeit ins Gas sollen.

Weil die Evakuierung der gesamten Todesfabrik bevorsteht, gehen die Deutschen systematisch daran, das Sonderkommando auszulöschen, genau so, wie die Männer es vorhergesehen hatten. Sie stürzen sich mit Hämmern und Schaufeln auf die SS-Leute, bewerfen sie mit Steinen, einige der Wachleute gehen zu Boden, die anderen eröffnen das Feuer. Drei SS-Männer und einen auf der Seite der SS stehenden Kapo können die Aufständischen töten. Wie geplant zünden die Häftlinge das Krematorium und die Gaskammer Nummer 4 an; das Gebäude steht schnell in Flammen, wahrscheinlich – hier gehen die Berichte auseinander – explodieren in seinem Inneren auch selbstgebaute Sprengsätze. Während herbeigeeilte SS-Männer mit automatischen Waffen auf die Häftlinge feuern, schafft es eine kleine Gruppe  - etwa achtzig, darunter auch sowjetische Kriegsgefangene – den Lagerzaun zu durchschneiden und auszubrechen. Nach wenigen Stunden endet die Flucht in einer Scheune des nahgelegenen Dörfchens Rajsko; ihre Verfolger stecken das Gebäude in Brand. Die Geflohenen sterben entweder in den Flammen oder im Kugelhagel. Aber sie starben, wie sie es wollten: als freie Menschen.
Seit 1986 sammelte Gideon Greif Aussagen ehemaliger Sonderkommando-Häftlinge auf Tonband, er befragte 30 von ihnen und trug hunderte Stunden Audiomaterial zusammen, auf das er sich schon bei früheren Büchern stützte.  „Ich wusste, dass ich mich beeilen musste, bevor die Zeugen und ihre Geschichte verschwinden“, meint Greif. Heute lebt nur noch ein Mitglied des ehemaligen Kommandos  - keiner der damals aktiven Kämpfer – hoch betagt in Los Angeles.
Die Geschichte des Sonderkommandos und damit auch des Aufstandes blieb selbst in Israel lange unbekannt. Dort standen die von der SS zum Leichenschleppen gezwungenen Häftlinge lange in Verdacht, mit der Lagerführung kollaboriert zu haben. „Eines meiner wichtigsten Ziele“, meint Greif,  „war es, dieses falsche, ungerechte Bild zurechtzurücken und damit ein Unrecht für die Geschichtsschreibung zu korrigieren.“  Heute, sagt er, gebe es kaum noch Anschuldigungen gegen die Funktionshäftlinge von Auschwitz. Seine Tonbandaufnahmen, sagt er, seien für die Männer und Frauen von damals eine „Rettungsmission“ gewesen.   Alexander Wendt

Gideon Greif, Itamar Lewin, „Aufstand in Auschwitz“ Böhlau Verlag Köln 390 Seiten 24,99 Euro