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Montag, 17. Oktober 2016

Geographie der Völkerwanderung

In der globalen Wirtschaft ringen 1,7 Milliarden Ostasiaten (Sino-Staaten, Japan, Korea, Vietnam) mit 1,1 Milliarden Europäiden (davon 460 Millionen in der Anglo-Sphäre/Israel). 

Die Ostasiaten machen den späten Start in die Eigentumsstruktur (zwischen 1880 und 1980) durch überlegene Kompetenz wett. Bei internationalen Schülerwettbewerben (etwa PISA 2012) erklimmt ihr Top-Quintett in Mathematik einen Durchschnitt von rund 560 Punkten, während Europas Fünferspitze bei respektablen 520 Punkten landet. Alle am Rennen Beteiligten durchlaufen Finanzkrisen mit den entsprechenden Rückschlägen, aber das Verteidigen ihrer Industrien durch nie endende Modernisierungen geht dabei immer weiter.

Anders als diese 2,8 Milliarden Menschen, die 75 Prozent des Weltprodukts erbringen (55 von 73 Billionen US-Dollar), liegen die übrigen 4,5 Milliarden nicht nur rettungslos zurück, sondern rutschen weiter ab. Erreichten noch 1980 etwa Indien, Pakistan und Bangladesch (zusammen knapp 1,7 Milliarden) das Prokopfeinkommen Chinas (knapp 1,4 Milliarden.), wanken sie heute bei einem Fünftel davon. Von den knapp 170.000 Erfindungen aus aller Welt, die nach strenger Prüfung das US-Patentamt 2015 akzeptiert, tragen die 4,5 Milliarden nur 3,2 Prozent bei – zwei Drittel davon durch Inder.
Während die oberen 2,8 Milliarden – vor allem in Europa – alt, aber relativ kompetent sind, glänzen die 4,5 Milliarden am unteren Ende durch Jugend, leiden aber an Schulschwäche. Rund 380 Punkte – so schwach sind auch die Latinos – gibt es 2012 bei PISA-Mathe für die drei besten arabischen Teilnehmer.

Der gewaltige Block aus Afrika, Nahost, Zentral- und Südasien sowie Südamerika sinkt aber auch deshalb tiefer, weil seine Besten von den internationalen Talent-Scouts umgehend identifiziert und abgeworben werden, um den vergreisenden Spitzengruppen frisches Blut zuzuführen.
Noch sind es wenige aus dieser überall einsetzbaren Elite, die nach Ostasien finden. Schwierige Sprachen oder beschränkte Freiheit (China) schrecken ab. Gleichwohl hat dieser Raum, der Leistungsniveau-Senker und Sozialkassen-Belaster am Eintritt hindert, mit Hongkong (39 Prozent), Singapur (43 Prozent) und Macao (59 Prozent) die weltweit höchsten Migrantenanteile.

Das beeinträchtigt die für sozialen Zusammenhalt so wichtige Homogenität kaum, weil aufgrund der hohen Anforderungen zumeist nur andere Ostasiaten die Einwanderung schaffen.
Beim Zugewinn an fremden Talenten liegen die Europäiden also weiterhin vorn. Das müssen sie auch, weil etwa in den USA über die Hälfte aller Kinder in Mathematik mangelhaft oder schlechter abschneidet. Das Land birgt mittlerweile eine „underclass“ von fast 70 Millionen Köpfen, die zu 50 Prozent immer und zur anderen Hälfte mindestens in einem Teil des Jahres von den Mitbürgern lebt. In einem Silicon Valley oder auf einer Wall Street fühlen sich diese Zeitgenossen so deplatziert wie – in einer Zeitmaschine angereiste – Steinzeitjäger. In Deutschland trifft das fünfzigprozentige Schulscheitern bisher lediglich den Migrantennachwuchs (35 Prozent aller Kinder), während bei den Altdeutschen „nur“ 30 Prozent nicht richtig rechnen und schreiben können.
Für die Europäiden wird die Blüte der Dritten Welt überdies unverzichtbar, weil von den dortigen 4,5 Milliarden immer mehr zu Sozialgeldern drängen, die eben nicht in Ostasien, sondern vorrangig in Europa und – in geringerem Ausmaß – in den USA angeboten werden.

Dagegen folgt der übrige Anglo-Block (AUS, CDN, IRL, NZ, UK) beim Fernhalten Unqualifizierter dem Vorbild Ostasiens. Mental zieht es in diese Richtung auch Skandinavien, das an der schmalen deutsch-dänischen Grenze problemlos abgeriegelt werden kann.
Das wirkt immer noch sensationell, weil auch Schweden mitzieht, das bis 2015 selbst für Alte und  Analphabeten die großzügigste Willkommenskultur der Geschichte vorlebte.

Außer Finnland, wo gegen den Euro eine Volksabstimmung ansteht, haben alle eigene Währungen. Das Andocken an die Briten und ihren begehrten nuklearen Schutzschild könnte schnell erfolgen. Damit zerbräche die Verhandlungsmacht Brüssels, das auf einmal für seine Restmitglieder zum Bittsteller für den Marktzugang Richtung Norden würde, statt diesem Daumenschrauben anzulegen.

Da das noch weitgehend scharia-freie, homogene und dadurch intern vertrauensstarke Osteuropa von Estland bis Ungarn wie Skandinavien denkt, bleibt als Aufnahmegebiet für die entschlossensten jungen Männer der heute 4,5 und 2050 rund 6,5 Milliarden Abgeschlagenen vorrangig der Raum zwischen Oder und Portugal. Deutschland – mit 60 Millionen Altbürgern neben 20 Millionen Migranten – bleibt dabei ganz ungebrochen der verlockendste Standort.
Der mächtigste Drang ins kontinentale Westeuropa geht aktuell von den 52 Nationen mit 1,4 Milliarden Einwohnern aus, die einen Kriegsindex von 3 bis 7 aufweisen. Auf 1000 Rentenanwärter von 55-59 Jahren, die im Idealfall 1000 Positionen freimachen, folgen dabei 3000 bis 7000 Jünglinge zwischen 15 und 19 Jahren, die um diese 1000 Positionen kämpfen. In Deutschland liegt der Index bei 0,66 (660 Junge auf 1000 Alte), in Österreich und der Schweiz bei 0,8. In den meisten der 52 Länder werden militärische Gewaltsituationen zum Dauerzustand, so dass junge Menschen, die an sich gerne Wirtschaftsflüchtling würden und dabei scheitern, plötzlich in Kriegsgebieten leben, was ihnen Schutz- oder Asylanrechte einträgt.

Bis 2050 wird dieser besonders gefährdete Block – soweit absehbar – auf 42 Staaten abschmelzen. Das erlaubt Optimismus, der allerdings dadurch getrübt wird, dass dann zwar in weniger Ländern jedoch volle zwei und nicht mehr „nur“ 1,4 Milliarden Menschen betroffen sind. Das liegt an der vitalen Entwicklung Schwarzafrikas, wo man von 180 Millionen 1950 über eine Milliarde 2015 bis auf 2,2 Milliarden Bürger im Jahre 2050 zulegt.

Letzteres entspricht der Weltbevölkerung von 1930. Die Hälfte aller Neugeborenen wird dann aus dem Subsahararaum kommen (1950 noch 9 Prozent). Schon 2009 wollten von dort 38 Prozent der Einwohner weg. Mittlerweile wird man mit mindestens 40 Prozent rechnen dürfen.

Es wären heute also 400 Millionen und 2050 rund 850 Millionen für die Übersiedlung nach Europa bereit. Selbst wenn das allen gelänge – halb hell und halb dunkel wäre die Alte Welt dann ein eher muslimisches als katholisches, aber kälteres Brasilien –, läge Afrikas eigene Bevölkerung immer noch 350 Millionen über der heutigen. Rückführungen würde dort niemand wollen oder gar erlauben.

Zu dem 52-Block gehören auch etliche arabische Staaten, deren Gesamtgebiet von 70 Millionen (1950) über 380 Millionen heute bis auf 620 Millionen Menschen 2050 anwächst. 2009 – vor Ölpreisverfall und arabischen Kriegen – wollten 23 Prozent abwandern. Legt man heute 30 Prozent zugrunde und erwartet – durchaus konservativ – diesen Wert auch für 2050, dann stehen aktuell 120 und 2050 rund 200 Millionen Araber für Europa zur Verfügung.
Es sind aber nicht nur diese 500 Millionen von heute und 1050 Millionen von 2050, die hierher streben. Länder, die – beispielhaft – ihre Geburtenraten von 7-8 auf 2-3 Kinder heruntergefahren und das Massakrieren erst einmal hinter sich haben, gesellen sich ebenfalls zum Auswandererpool. Das liegt vor allem daran, dass ihre relativ einfachen Industrien von China bankrottkonkurriert werden. Ihnen fehlen aber die Fachleute für den Aufbau von Hightech-Branchen, ohne die es – jenseits von Rohstoffen – keinen Zugang zu den Weltmärkten gibt.

Brasilien (von 210 Mill. 2015 auf 260 Mill. 2050) war 1980 pro Kopf viermal so reich wie China, liegt mittlerweile aber hinter dem Giganten. Indonesien (von 260 auf 310 Mill.) war 1980 zweimal so reich, erbringt aber heute nur noch 40 Prozent der chinesischen Leistung. Aus diesen und vergleichbaren Ländern könnten – mit steigender Tendenz – 100 oder mehr Millionen in Europa Rettung suchen. Vor allem die Lateinamerikaner werden ihr Glück in Nordamerika versuchen, wo die Grenzen allerdings unüberwindbar werden.

Aus dieser Ländergruppe kämen zwar überwiegend Geringqualifizierte, aber schneller noch die technischen Eliten, weil jeder Könner vor dem Totalabsturz wegwill und in der geburtenarmen Ersten Welt mit Handkuss genommen wird. Politisch interessant wird diese zusätzliche Wanderbewegung, wenn die Asse in die Anglowelt und nach Ostasien ziehen, die Hilfsbedürftigen aber zwischen Duisburg und Dresden landen, weil es dort auch bei Nichtarbeit menschenwürdige Bezahlung gibt. In der globalen Konkurrenz gewinnen dann die jetzt schon Stärkeren frische Steuerzahler, wohingegen Europa die nicht einmal für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ausreichenden Beträge in die Sozialkassen umleitet.
      
Die dafür aufzubringenden Milliarden erarbeitet vor allem die „kreative Klasse“ (Richard Florida), aus der Wissenschaftler, Ingenieure, IT-Spezialisten und Freiberufler die Innovationen zum Verbleib in der Weltspitze erbringen. Familienväter sind darunter seltener als Singles, die in Deutschland und Österreich – nach Belgien – schon heute weltweit am höchsten besteuert werden. Sie hören, dass jede Flüchtlingsmillion pro Jahrfünft mindestens 100 Milliarden Euro kostet und daneben die Mega-Milliarden nach Brüssel und Südeuropa auch noch abzuliefern sind. Schon das macht sie mürbe.
Zudem soll der hiesige Nachwuchs die Wanderungswilligen durch smarte Hilfe in der Heimat halten. Gesamteuropa hat dafür momentan 140, aber 2050 nur noch 130 Millionen Jugendliche unter 18 Jahren. In Gesamtafrika sind es 550 Millionen und 2050 eine Milliarde. Wenn im Durchschnitt ein junger Europäer heute vier und 2050 sogar acht gleichaltrige Afrikaner für die Weltmärkte fitmachen und nebenher das eigene Lager vorne halten soll, braucht er enormes Selbstvertrauen.

Das Hochziehen des Schwarzen Kontinents bleibt ja auch deshalb schwierig, weil bei der letzten internationalen Schüler-Mathematik-Olympiade (TIMSS 2011) die Ex-Kolonie Ghana mit 331 Punkten zwar einen vielversprechenden Weg beschreitet, aber bis zu den 613 Punkten der siegreichen Ex-Kolonie Südkorea noch fleißig Schularbeiten machen muss. Gleichwohl mögen all diese Herausforderungen einem überzeugten Merkelanhänger als schaffbar erscheinen. Doch nach dem Verlust weiterer heimischer Branchen – Kameras, Telefone, Tonträger, Fernseher, Computer, Atomkraftwerke, Hochgeschwindigkeitszüge et cetera sind schon bei der Konkurrenz – könnte die Stimmung kippen.

Vielleicht ist es soweit, wenn auch die Medizintechnik den Weg der Roboter nach China einschlägt. Dann dröhnen die ja immerwährend ausgesendeten Locksignale aus den Kompetenzfestungen (Pässe nur an Asse) zwischen Wellington und Vancouver wie Trompeten in den Ohren: Wir zahlen mehr, wir verhindern Terror, wir geben Zukunft. Diese Offerten sind abzuwägen gegen das nicht minder stetige „opfert euch für Rentner, Ausländer und die Eigentümer der Eurobanken, aber endet selber arm im Alter“. 140.000 Deutsche gerade aus der Könner-Gruppe gehen jährlich weg. Wenn sie – das beste Fünftel eines Geburtsjahrgangs – nicht wiederkommen, wird es ganz eng. Je mehr sich davonmachen, desto mehr aber müssen folgen, um von den für sie schwerer werdenden Lasten nicht stranguliert zu werden.

Diese Tüchtigen sind die Überlebenswichtigen für die Zukunft der Alten Welt. Allein sie sind es jedoch, die jederzeit davon können, weil sie überall begehrt sind. Die von ihnen zu Versorgenden dagegen sind die Loyalsten. Sie mögen sexuell übergriffig sein und im Namen des Propheten töten, aber den Füllhörnern des Sozialstaats sind sie treu wie niemand sonst. Je zahlreicher sie werden, desto höher treiben von ihnen wahlabhängige Regierungen die Steuern, was die Flucht der Zahler weiter beschleunigt.

Nun gibt es auch in der Anglowelt oder Skandinavien Kritik daran, dass zu wenig Muslime oder Schulversager hereingeholt werden. Als unmenschlicher Intelligenz-Rassismus gerade gegen die Schwächsten wird das gegeißelt. Ob aber diese Empörten nach Deutschland auswandern, um die von dort Fliehenden zu ersetzen und ihrerseits neue Industrien aufbauen, bleibt abzuwarten.
Wenn die Scharia-Verschreckten in den Spitzennationen unterkommen und im Gegenzug die dortigen Scharia-Toleranten sich den Willkommens-Ländern zum Geschenk machen, hätte man immerhin in zwei großen Lagern höhere interne Toleranz erreicht. In einem Block würden Populisten zur Mehrheit und damit überflüssig. Auf der anderen Seite wäre soviel Regenbogen und Diversität, dass – mit Millionen wohl dotierten Integrationsarbeitern – der Aufbau eines postnationalen Glücks ohne Störmanöver Ewiggestriger endlich vorankäme. Judenhass, Antisemitismus und Antizionismus oder eine beliebige Kombination davon könnten die ideologische Einheit stiften.

Spaß oder auch Ernst beiseite, wie geht es weiter in den Territorien, deren Kriegsindex noch Jahrzehnte lang über 3 liegt, deren Ökonomie aber am Boden bleibt? Schnell zu beenden wäre das Sterben auf dem Mittelmeer. Die 3000 km lange Wassergrenze ist leichter zu schließen als die 25000 km lange um Australien, bei deren Überwachung durch die Operation Sovereign Border seit 2013 niemand ertrunken ist. Wer weiß, dass er nicht durchgelassen wird, geht nicht mehr in die Boote, weil er die 5000 Euro für die Schleuser als letztes Investment lieber selbst in der Tasche behält. Hier könnte Europa mit einem einzigen Befehl das Sterben beenden.

In Afrika selbst wird das schwieriger. Seit den Siegen über die Kolonialherren bis in die 1960er Jahre werden dort in Kriegen und Völkermorden rund 18 Millionen zu Tode geschunden. Das führte nicht einmal dann zu Aufnahmebereitschaft, als Europa bis in die 1990er Jahre einen langanhaltenden Aufschwung erlebt. Werden höhere Opferzahlen mehr humanitäre Einsätze provozieren? Wahrscheinlich ist das nicht, weil Europas Soldaten einzige Söhne oder gar einzige Kinder ihrer Familien sind, die erlöschen, wenn sie fallen.

Wie oft kann man diese letzten Beschützer der Heimat in Todesgefahr schicken, um in der Ferne dritte oder vierte Brüder von gegenseitigen Massakern oder der Verschleierung ihrer nicht minder zahlreichen Schwestern abzuhalten? Selbst die Weltmacht USA wird dazu immer seltener bereit sein, ob nun Demokraten oder Republikaner das Weiße Haus kontrollieren.
Gunnar Heinsohn (*1943) lehrt Militärdemografie am NATO Defense College in Rom und Eigentumsökonomie am Management-Zentrum St. Gallen

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