Stationen

Montag, 17. Oktober 2016

Junges Europa

Pünktlich zur Buchmesse in Frankfurt wendet sich ein neuer Verlag an die Öffentlichkeit. Der Jungeuropa Verlag, ist, so der Gründer Philip Stein, „die publizistische Folge einer festen Überzeugung: daß Europa als historische und kulturelle Einheit zwingend zusammenfinden muß, um angesichts der Verwerfungen des globalen Geschehens bestehen zu können.“ Was heißt das konkret? Und welche Pläne gibt’s? Wir sprachen mit Stein über Verlagsgründung und Programmschwerpunkte.
SEZESSION: Jetzt haben wir also noch einen Verlag im konservativen und neurechten Bereich, diesmal offenkundig mit dezidiert europäischem Anspruch. „Jungeuropa Verlag“: was hast Du mit ihm vor, für was steht er?
PHILIP STEIN: Zunächst muß ich ganz offen gestehen: diese Unternehmung, einen weiteren „neurechten“ Verlag zu gründen – überhaupt einen Verlag zu gründen! – fußt zuvorderst auf einer ganz persönlichen Passion. Denn wer Bücher verlegt, und dies nicht nur aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus, bestimmt – eine glückliche Hand vorausgesetzt – ganz unweigerlich die ästhetische Prägung einer lesenden, im besten Falle nonkonformen Generation. Die Arbeit an einem Buch gleicht gewissermaßen jener Arbeit, die auch nötig ist, um eine junge Generation zu formen. Es geht um Haptik, Ästhetik, Form, Tatendrang und Mut. Der Anspruch unserer Werke soll jenen Vorbild sein, für die sie verlegt werden.
Während etwa euer Verlag Antaios mit Armin Mohler begonnen hat, beginnen wir mit dem von ihm sehr geschätzten Pierre Drieu la Rochelle – einem leidenschaftlich europäisch und „antibürgerlich“ denkenden Virtuosen. Anhand dieser ersten Figur, die von uns erneut auf das Schachbrett gehoben wird, sollte klar werden: der Jungeuropa Verlag wird all jene europäischen Denker verlegen und – wenn nötig – reanimieren, die diese Art von Ästhetik nicht nur beschrieben, sondern auch gelebt haben oder leben. Wir bedienen also gewissermaßen eine europäische Nische auf dem deutschen Buchmarkt. Jede Schrift, jeder Autor den wir anfassen, soll einen unverwechselbaren Geist und Esprit in die Welt bringen. Ganz konkret indes: Erst- und Neuauflagen aus ganz Europa, die den Geist europäischer Annäherung und Einigung für den notwendigen Neubeginn atmen. Denn Drieu hatte schon damals recht, als er schrieb, daß man sich von der Annahme verabschieden müsse, in Europa allein bleiben zu können – es sei denn, man litte an einer Wahnvorstellung.
SEZESSION: Bei besagtem Drieu beginnst Du ja jetzt direkt mit seinem großen Weltanschauungsroman Die Unzulänglichen (frz. Original: Gilles). Wie kamst Du auf das Buch – und warum sollten sich Leser, die den Autor bis dato noch nicht kennen, an 500, 600 Seiten Belletristik heranwagen?
STEIN: Ich selbst habe den Roman vor rund drei Jahren zum ersten Mal in der Hand gehabt – also ganze 64 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung (1939) in Frankreich. Obgleich dieser Weltanschauungsroman schon etliche Jahre auf dem Buckel hat, und die Zeiten sich angeblich bedeutend geändert haben, war ich sofort begeistert. Denn Drieu beschreibt hier sehr detailreich und mit einer faszinierenden literarischen Präzision (man beachte die genialen und facettenreichen Dialoge!) genau jene dekadenten gesellschaftlichen Prozesse, die sowohl vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg als auch dieser Tage zum Zusammenbruch der Nationen geführt haben. Drieu ist also vor allem ein genialer Beobachter seiner Zeit (in der sich auch unsere Zeit wiederfindet), doch geht Gilles Gambier, der Protagonist Drieus, darüber hinaus: er beobachtet nicht nur (wie so viele), er zeigt uns auch einen Ausweg. Weiterhin, kurz gefaßt, bin ich der Meinung, daß wir in „unserer“ Szene mehr Belletristik benötigen. Die Leute sollen Lust am Lesen verspüren.
SEZESSION: Da eignet sich Drieu natürlich, zumal auch die, die gegenüber „politischer“ Literatur eher skeptisch eingestellt sind, dennoch Freude an der Lektüre finden könnten…
STEIN: Richtig. Drieu ist ja nicht nur eine Empfehlung für den politisch Interessierten, er ist eben vor allem ein Klassiker der Literatur des 20. Jahrhunderts. Und nun gibt es, mehr als 70 Jahre nach seinem Tod, eine offensichtliche Drieu-Renaissance. In Frankreich setzte diese Entwicklung – wie so oft – etwas früher ein, aber auch in Deutschland entsinnt man sich, daß auch ein „écrivain maudit“, ein „Umstrittener“, ein „Verfemter“, durchaus literarisch von Wert sein kann. Louis-Ferdinand Céline war kein Einzelfall. Jedenfalls: Drieus Weltkriegsband Die Komödie von Charleroi, der 2016 im Manesse Verlag erschien, war das Startsignal. Wir haben es wohl vernommen.
SEZESSION: Im Gegensatz zu vielen Nischen-Verlagen des linken Milieus muß der Jungeuropa Verlag von Anfang an auf eigenen finanziellen Beinen stehen. Ist das überhaupt möglich – und wie können Interessierte helfen?
STEIN: Ob das möglich ist, wird sich zeigen. Der Verlag zielt zunächst darauf ab, sich langfristig selbst zu finanzieren. Das heißt konkret: Die rund sechs ausgewählten Bücher, die wir in den ersten zwei bis drei Jahren jährlich verlegen wollen, müssen schon sehr bald auf eigenen Beinen stehen. Erstübersetzungen sind, rein wirtschaftlich, ein sehr schwieriges Unterfangen; sie produzieren überdurchschnittliche Kosten und erfordern eine besondere verlegerische Sorgfalt. Wir haben aber einen Vorteil: Mit meinen 25 Jahren bin ich für einen Verleger noch sehr jung, habe nicht die Verpflichtungen eines vielfachen Familienvaters und muss so keine großen Summen für mich selbst erwirtschaften bzw. verdiene mein Geld über andere Projekte. Der Jungeuropa Verlag wirtschaftet die ersten zwei Jahre für „sich selbst“; Gewinne werden nicht entnommen.
Langfristig wird sich also zeigen, ob wir „am Markt“ bestehen können. Unser Milieu wächst jedenfalls – und unsere Ideen (verlagseigener Podcast, dezidiert europäischer Blog, „Reinhören statt Reinlesen“, langfristig auch eBooks u. v. m.) sind in „unserer“ Szene bis dato auf weiter Flur. Ob wir finanziell überleben, wird aber auch ganz maßgeblich davon abhängen, wie „bereit“ die Leser sind, gewisse konservative Dogmen abzulegen bzw. Kritik zu ertragen. Ich halte nichts davon, politische Tabus aufzustellen. Wenn es etwa um Europa, Ökologie, Technikkritik oder auch vermeintlich linke/sozialistische Ansätze geht (auch in der Wirtschaft!), sind wir doch sehr nonkonformistisch aufgestellt. Wir wollen die Jugend erreichen, sie formen und wirklich (!) neue Denkansätze einstreuen. Gewisse Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert.
Wer unterstützen möchte, kann sich auf unserer Netzseite am Crowdfunding-Prozess für Die Unzulänglichen beteiligen. Wir benötigen rund 5000 Euro, um das Werk in Druck zu geben. Derzeit liegt es bei unserem Setzer. Diese Maßnahme – ein schöner und spannender Versuch übrigens! – ist leider notwendig. Selbst habe ich schon eine nicht unerhebliche Summe investiert (wie jeder Verleger zu Beginn), aber bei den Druckkosten benötigen wir finanzielle Hilfe.
Wenn Drieu als Startpunkt gelingt, folgt übrigens ein Venner…  Benedikt Kaiser


Bestellhinweise:
crowdfunding direkt beim Jungeuropa Verlag, www.jungeuropa.de, oder
Roman zum Ladenpreis vorbestellen bei Antaios.

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