Stationen

Freitag, 28. Oktober 2016

Planetarische Schicksalswahl

Es grenzt an ein Wunder: Nun hat sich ausgerechnet der Paradelinke Michael Moore, der unlängst Hillary Clinton mit Jesus verglich, für Donald Trump ausgesprochen. Mehr oder weniger zumindest. Diese Rede aus seinem neuen Film „TrumpLand“ klingt jedenfalls verblüffend nach einer glühenden Werbung.

 Moore gibt sich darin als sozialer Populist und Kleine-Leute-Versteher, ganz wie zu seinen Anfangszeiten, als er seinen (immer noch wunderbaren und sehenswerten) Debütfilm „Roger and Me“ (1988) drehte:
Ich kenne einen Haufen Leute in Michigan, die vorhaben, für Trump zu stimmen, und sie mögen ihn gar nicht mal so sehr, noch sind sie unbedingt seiner Meinung. Sie sind keine Rassisten oder Rednecks, sie sind eigentlich ziemlich anständige Leute, und nachdem ich mit einigen von ihnen gesprochen habe, möchte ich dies hier schreiben.
Donald Trump kam zum Detroit Economic Club und stand dort vor den Managern von Ford Motor und sagte: „Wenn Sie diese Fabriken in Detroit schließen, wie es Ihr Plan ist, und sie in Mexiko neu aufbauen wollen, dann werde ich diese Autos mit einer Zollsteuer von 35% belegen, wenn Sie sie zurückschicken, und niemand wird sie kaufen.“ Das war eine erstaunliche Szene. Kein Politiker, ob Republikaner oder Demokrat, hat diesen Managern jemals irgendetwas Vergleichbares gesagt, und es klang wie Musik in den Ohren der Menschen in Michigan und Ohio und Pennsylvania und Wisconsin – den „Brexit“-Staaten.
Sie leben hier in Ohio, Sie wissen, wovon ich spreche. Ob es Trump nun ernst meint oder nicht, ist eher irrelevant, weil er diese Dinge zu Menschen sagt, die leiden, und darum liebt jeder niedergeschlagene, namenlose, vergessene Malocher, der einmal Teil dessen war, was man die Mittelschicht nannte, Trump. Er ist der menschliche Molotow-Cocktail, auf den sie gewartet haben; die Handgranate in Menschengestalt, die sie legal auf das System schmeißen können, das ihnen das Leben gestohlen hat.
Und nun kommt der 8. November. Obwohl sie ihre Jobs verloren haben, obwohl die Bank eine Zwangsvollstreckung angeordnet hat, danach kam die Scheidung, und nun sind die Frau und die Kinder weg, das angezahlte Auto mußte zurückgegeben werden, und sie hatten seit Jahren keinen richtigen Urlaub mehr, stecken im beschissenen Bronze-Plan der Obamacare fest, wo man nicht einmal ein verdammtes Percocet (Schmerzmittel) bekommen kann… sie haben im Grunde alles verloren, was sie hatten, außer einer Sache, die sie keinen Cent kostet und die ihnen von der Verfassung garantiert wird: das Recht zu wählen.
Sie mögen mittellos, sie mögen obdachlos sein, sie mögen verarscht und abgefuckt sein, das ist alles egal, denn an diesem Tag sind alle gleich – die Stimme eines Millionärs zählt genausoviel wie die eines Menschen ohne Job: als eine einzige. Und es gibt mehr davon in der ehemaligen Mittelschicht als in der Schicht der Millionäre. Darum werden die Enteigneten am 8. November in das Wahllokal gehen, einen Stimmzettel bekommen, den Vorhang zuziehen, und mit diesem Knopf oder Filzstift oder Tastbildschirm ein scheißgroßes Kreuz in das Kästchen machen, das den Namen jenes Mannes trägt, der gedroht hat, genau das System umzukrempeln und geradezubiegen, das ihr Leben ruiniert hat: Donald J. Trump.
Sie sehen, daß die Eliten, die ihr Leben ruiniert haben, Trump hassen. Das Amerika der Konzerne hasst Trump. Die Wall Street hasst Trump. Die Karrierepolitiker hassen Trump. Die Medien hassen Trump, nachdem sie ihn geliebt und geschaffen haben und nun hassen. Danke, Medien: Der Feind meines Feindes ist derjenige, den ich am 8. November wählen werde.
Ja, am 8. November, da werdet ihr, Joe Blow, Steve Blow, Bob Blow, Billy Blow, all die Blows werden losziehen und das ganze gottverdammte System in die Luft blasen, weil das euer Recht ist. Die Wahl Trumps wird zum größten „Leckt mich am Arsch!“ in den Annalen der Menschheitsgeschichte werden, und es wird sich gut anfühlen. Trump’s election is going to be the biggest ‚fuck you‘ ever recorded in human history and it will feel good.
Warum Moore nach solch beflügelnden Worten immer noch Clinton unterstützt, bleibt sein Geheimnis. Gerade als Linker hätte er gemäß seiner eigenen Analyse allen Anlaß, für Trump zu stimmen. Hier schlagen vielleicht zwei Seelen in seiner Brust, der nun wiedererweckte, in einem Vorort aufgewachsene irisch-katholische Arbeitersohn aus Michigan, und der inzwischen zum Establishment gehörende, privilegierte, millionenschwere, pseudo-oppositionelle shitlib par excellence.


„TrumpLand“ – den ich noch nicht gesehen habe – versucht offenbar einerseits, „die Ängste der Menschen ernstzunehmen“, sie andererseits aber doch für Hillary zu gewinnen. Die Zeit schreibt:
Es geht ihm nicht um eine scharfe Analyse des Phänomens Trump oder die schonungslose Diagnose von dessen Wählern. Moore will die Menschen dazu bringen, nicht nur gegen Trump, sondern für Clinton zu stimmen. Er will einen Populismus der Mitte: einen, der gesunden Menschenverstand, ein Minimum an Respekt und Kompetenz mit eben dem Ingrimm einklagt, mit dem Trumps Heerscharen genau dagegen anblöken.
Was ist hier passiert? 2004 feuerte Moore in „Fahrenheit 9/11″ aus allen propagandistischen Rohren, um die Wiederwahl von George W. Bush zu verhindern; angesichts des Matches Trump vs. Clinton scheint er sich seiner Sache nicht mehr so sicher zu sein wie damals.
Wie Moore selbst einräumt: das Einzigartige an dem Phänomen Trump, das dem Wahlkampf eine präzedenzlose Dramatik verleiht, ist die Tatsache, daß hier buchstäblich Einer gegen Alle antritt – und standhält. Der gesamte Leviathan des politisch-medialen-finanziellen Machtkomplexes ist gegen Trump, inklusive einer erklecklichen Anzahl seiner eigenen Parteigenossen, die ihm am laufenden Band in den Rücken gefallen sind.
Hillary Clinton dagegen ist die Kandidatin der Mächtigen und der globalistischen Eliten, Fleisch von ihrem Fleisch. Sie wird sogar von vielen Linken zutiefst gehaßt und gefürchtet, die sich vor die Wahl zwischen Scylla und Charybdis gestellt sehen. Im Gegensatz zu Trump, der seinen Wahlkampf weitgehend aus eigener Tasche bezahlt, wird Clinton unter anderem von der Wall Street, Hollywood, Silicon Valley, Goldman Sachs, George Soros und – Saudi-Arabien finanziell und propagandistisch unterstützt, wobei Clintons Crew nur allzu gut Bescheid weiß, daß letzterer Geldgeber auch den IS mächtig unterstützt und mit Frauen weitaus unsanfter umspringt als der zu Machosprüchen neigende Trump.

Kurz nach der dritten und letzten Kandidatendebatte der Präsidentschaftswahl spielte sich während des jährlichen Benefizdinners der Alfred E. Smith Memorial Foundation, einer katholischen Wohltätigkeits-Stiftung in New York, eine geradezu surreale Szene ab. Gemäß einer alten Tradition waren beide Präsidentschaftskandidaten anwesend, und wurden zu einem „roast“ angehalten. Die Spielregel ist, daß die solchermaßen „Geehrten“ gute Miene zum bösen Spiel machen müssen, was Hillary offensichtlich schwer fiel, obwohl sie sich wie üblich mit ihrem maskenhaften Robotergrinsen und ihrer Kinohexenlache gepanzert hatte.
Ridendo dicere severum: Trump begnügte sich nicht damit, ein paar harmlose Beleidigungen und selbstironische Bemerkungen vom Stapel zu lassen, sondern bohrte tief in die Wunde, fast schon an der Grenze zum Bruch der Konvention, und erntete dafür empörte Buhrufe und entsetzte Gesichter. Die anwesenden Krokodile bemühten sich indessen zähnefletschend zu lachen und das Theater mitzuspielen.
Trump verspottete die unverhohlene Parteilichkeit der Medien:
Diese Events gaben den Kandidaten nicht nur Gelegenheit, in einem sehr sozialen Rahmen zusammenzutreffen; sie ermöglichten auch, daß die Kandidaten Gelegenheit bekamen, das Team des anderen Kandidaten kennenzulernen. Ich weiß, daß Hillary meinen Kampagnenleiter getroffen hat, und ich hatte Gelegenheit, die Leute zu treffen, die so hart daran arbeiten, daß sie gewählt wird. Hier sind sie: Die Chefs von NBC, CNN, CBS, ABC. Gleich dort hinten ist die New York Times, und dort die Washington Post. Sie leisten Überstunden.




Im Zuge einer Rede vom 13. 10. in West Palm Beach (Florida) nannte Trump die herrschende Regierung „völlig korrupt“ und nahm sich kein Blatt vor den Mund, was die Rolle der Medien angeht – die in den USA ebenso wie hierzulande als Lügen- und Lückenpresse aktiv sind:
Das Medienkartell (corporate media) in unserem Land kümmert sich nicht mehr um Journalismus. Es bedient spezielle politische Interessen, nicht anders als irgendein Lobbyist oder ein finanzielles Unternehmen mit einer totalen politischen Agenda; und diese Agenda dient nicht euch, sondern ihnen selbst. Und ihre Agenda ist es, „Crooked Hillary“ Clinton um jeden Preis zu wählen, koste es, was wolle, egal, wie viele Leben sie dabei zerstören. Soweit es sie betrifft, herrscht Krieg, und sie kennen keinerlei Hemmungen.
Dies ist ein Kampf um das Überleben unserer Nation, glaubt mir, und der 8. November ist unsere letzte Chance, sie zu retten. Diese Wahl wird darüber entscheiden, ob wir eine freie Nation sind oder ob unsere Demokratie nur eine Illusion ist, während wir in Wahrheit von einer kleinen Gruppe globaler Spezialinteressen kontrolliert werden, die das System manipulieren, und unser System ist manipuliert. Das ist die Realität. Ihr wißt es, sie wissen es, ich weiß es, und so gut wie die ganze Welt weiß es.
Das Establishment und seine Gehilfen in den Medien beherrschen das Land durch wohlbekannte Mittel. Jeder, der ihre Macht in Frage stellt, wird zum Sexisten, Rassisten, Fremdenfeind und moralischen Krüppel erklärt. Sie werden euch angreifen, sie werden euch verleumden, sie werden versuchen, eure Karriere und eure Familie zu zerstören. Sie werden versuchen, alles an euch zu zerstören, inklusive eures guten Rufs. Sie werden lügen, lügen, lügen, und dann werden sie noch Schlimmeres tun. Sie werden tun, was nötig ist. Die Clintons sind Kriminelle, denkt daran, Kriminelle!
Dergleichen hat man im US-Wahlkampf noch nie gehört, und es läßt sich 1:1 auf unsere Situation in Deutschland und einen großen Teil von Westeuropa umlegen: das tiefe Mißtrauen gegenüber den herrschenden Eliten, die Entmachtung der einfachen Wähler, die Macht der Medien, die zunehmend der Propaganda und Gleichschaltung dienen, die Herrschaft durch die Zuchtrute der politischen Korrektheit und der sozialen Ausgrenzung…

Entsprechend einseitig, bis an den Rand zur unfreiwilligen Komik, wird in unseren Medien der US-Wahlkampf präsentiert. Trump wird regelmäßig als gefährlicher Irrer, Monster, Egomane, Spinner, Trottel, Clown, Lügner, Trampel oder Frauenfeind dargestellt, seine Charakterschwächen und die eher deftigen Züge seiner Persönlichkeit und seines Auftretens disproportional und systematisch übertrieben. Nach jeder Kandidatendebatte behaupteten die professionellen Erklärer hartnäckig und wider alle Evidenz, Clinton hätte brilliert und gepunktet, Trump dagegen eine schlechte und lächerliche Figur abgegeben.
Clinton selbst wird schonend behandelt, auch wenn sich die aktuellen und nun durch den erzwungenen Internetarrest Julian Assanges abgedrehten Wikileaks-Enthüllungen sowie die Nachrichten über ihren offenbar schlechten Gesundheitszustand kaum verschweigen lassen.
Seit Monaten geistern nach amerikanischem Vorbild Meldungen durchs deutschsprachige Netz im Stile von: „Diesmal ist Trump zu weit gegangen“, „Das wird ihn den Sieg kosten“, „Trump fällt weit hinter Hillary zurück“, „Trump stürzt ab“, „Trump ist der klare Verlierer“, „Kostet Trump Skandalvideo die Kandidatur?“, „Trump hat alle Chancen verspielt“ usw. usf.  Hinzu kommt ein Dauerfeuer aus schmähenden und abwertenden Schlagzeilen dieser Art: „Donald Trump: Seine peinlichsten Fehltritte“, „Die schlimmsten Sprüche von Politik-Rüpel Donald Trump“, „Trumps miese Woche“, „Trump läßt kein Fettnäpfchen aus“, „Trump: Der Typ ist nur noch peinlich“, „Trump: die peinlichsten Fails“ usw. usf.
Doch nichts davon scheint auf die Dauer zu wirken und wird mit jedem weiteren überstandenen aufgeblasenen Skandälchen unglaubwürdiger. Trumps Chancen stehen trotz aller Widrigkeiten und Schmutzkübelladungen weiterhin gut.






Man mag  gegenüber der effektvollen dramatischen Zuspitzung skeptisch sein, derer sich Trump in seinen Reden bedient. Es ist schließlich ein alter Trick, in drastischen Farben eine Krise zu beschwören, und sich dann als Retter zu inszenieren. Aber seine Reden würden kaum auf derart fruchtbaren Boden fallen, wenn die Krisenstimmung und Unzufriedenheit im Land nicht wirklich enorm hoch wären.  Bei dieser Wahl steht offenbar tatsächlich mehr auf dem Spiel, als daß ein weiteres Mal ein roter Kandidat einen blauen ablöst (oder umgekehrt). Nun steht das ganze System auf der Anklagebank und dem Prüfstand.
Vielleicht droht sogar Krieg, sollte Clinton gewählt werden. Und zwar einer, der über das bisher gekannte Ausmaß weit hinaus geht. Trump hat skandalöserweise mehrfach verkündet, daß er eine friedliche Zusammenarbeit mit Russland und Putin sucht; in der zweiten Debatte äußerte er tiefe Skepsis gegenüber der gängigen Vorstellung, daß Amerika „Rebellen“ gegen die Schurken Assad und Putin unterstützen müsse, und prangerte die „Dummheit“ der amerikanischen Außenpolitik insbesondere im Nahen Osten an (hier wird wohl auch Michael Moore, der aus dieser Anklage eine Karriere gemacht hat, schwerlich widersprechen können).
Sie (Hillary) führt markige Reden gegen Putin und gegen Assad. Sie spricht zugunsten der Rebellen. Sie weiß nicht einmal, wer diese Rebellen sind. Sie wissen, jedes Mal, wenn wir Rebellen unterstützen, ob im Irak oder sonstwo, dann bewaffnen wir Leute. Und wissen Sie, was dann passiert? (…) Schauen Sie sich an, was sie in Libyen mit Gaddafi gemacht hat. Gaddafi ist weg. Es herrscht Chaos. Und nebenbei, der IS hat ein gutes Stück von ihrem Öl. (…) Es war ein Desaster. Es ist eine Tatsache, daß alles, was sie gemacht hat, ein Fehler und ein Desaster war.
Wer wagt, hier zu widersprechen? Hillary ist eine Hauptakteurin der Clique, die der Welt die Kriege im Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien und der Ukraine beschert hat, mit all ihren desaströsen Folgen, auch für Europa und Deutschland. Von ihr ist auch in Zukunft more of the same zu erwarten. Mindestens. Denn es gibt Anzeichen, daß weitere, weitaus schlimmere Eskalationen bevorstehen. Ziel wird wahrscheinlich der derzeitige Hauptfeind der Globalisten sein, Wladimir Putins Rußland.
Im Schweizer Tagesanzeiger vertrat Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Universität Mainz, die Ansicht, daß mit der Präsidentschaft Clintons die Gefahr eines Dritten Weltkriegs wachse:
Clinton hat immer wieder betont, dass sie eine härtere Gangart gegen Assad einschlagen will. Während Obama gerade die Einrichtung einer Flugverbotszone in Syrien entschieden abgelehnt hat, wird von Clinton nach wie vor die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert. Dazu ist die Zerstörung der syrischen Luftwaffenbasen durch Marschflugkörper geplant. Nachdem Russland inzwischen zahlreiche Abwehrsysteme gegen ballistische Raketen in Syrien installiert hat, würde diese militärische Intervention der USA unvermeidlich zu einer direkten militärischen Konfrontation der beiden Nuklearmächte führen. Ob Clinton dies tatsächlich in Kauf nehmen wird oder nur blufft, bleibt abzuwarten. (…)
Die weltpolitischen Spannungen werden sich in einem Masse verschärfen, das alles in den Schatten stellt, was wir seit dem Ende des Kalten Kriegs erlebt haben. Diese Richtschnur für die US-Aussenpolitik, die vor allem auf die militärische Überlegenheit der USA setzt und ein beispielloses Wettrüsten nach sich ziehen wird, führt an die Schwelle des dritten Weltkriegs beziehungsweise des ersten Nuklearkriegs. Hoffnungen auf ein Ende des Mordens in Syrien und eine Beilegung der dortigen Stellvertreterkriege sind ebenso vergeblich wie die Erwartung einer friedlichen Entwicklung in der Golfregion.

Auch Trump warf nun Clinton direkt vor, auf einen Weltkrieg zuzusteuern.
Ist diese Gefahr real, der Vorwurf berechtigt? Ich sage ja, ja und ja. Sogar Jakob Augstein ist dieser Meinung!
Aber der Mehrheit der Deutschen müsste der Gedanke eines Waffengangs zwischen den USA und Russland einen Schauer der Furcht über den Rücken jagen. Dennoch – wenn die Deutschen zu entscheiden hätten, am Triumph der Demokratin gäbe es keinen Zweifel. Sonderbar. Wie kann es sein, dass die deutsche Öffentlichkeit diese reale Gefahr eines Clinton-Sieges ignoriert?
Vielleicht hat die Berichterstattung des Spiegels ein klitzekleines bißchen dazu beigetragen?
Es liegt daran, dass Trumps Kandidatur derart schrill ist, dass zu viele Leute das Signal nicht wahrnehmen, das sie in Wahrheit ist. Hillary Clinton ist genau das Produkt des amerikanischen Polit-Establishments, das Trump und seine Anhänger in ihr sehen. Sie genießt in Europa den Ruf, für außenpolitische Berechenbarkeit und Kontinuität zu stehen. Aber das bedeutet eben auch, dass sie die im wahrsten Wortsinne verheerende amerikanische Außenpolitik militärischer Interventionen fortsetzen würde.
Ähnlich der linke Journalist Doug Henwood gegenüber der Welt:
Die Welt: Wie wird ihre Außenpolitik aussehen?
Henwood: Sie wird sehr aggressiv vorgehen. (…) Sie liebt das Militär und seine Macht. Ich denke, sie wird amerikanischen Einfluss in Syrien und anderswo im Nahen Osten geltend machen. Sie wird deutlich näher als Obama an Netanjahu heranrücken. Und ihr liegt viel daran, die Spannungen mit Russland und China zu verstärken. Es wird sich anfühlen wie eine Neuauflage des Kalten Kriegs, nur ohne Kommunisten.
So wie sie die Russen in der Sache der geleakten E-Mails bezichtigen, wie sie über Putin reden – das macht einem Angst. Sie spricht jetzt schon davon, über Syrien eine Flugverbotszone einzurichten, was synonym dafür wäre, russische Flugzeuge abzuschießen.
Ich habe diesen Artikel mit einer überraschenden Quasi-Parteinahme für Trump begonnen, und möchte ihn mit einer weiteren (vielleicht nicht ganz so überraschenden) beenden. Sie kommt von niemand geringerem als der den Lesern der Sezession und insbesondere Ellen Kositzas wohlbekannten amerikanischen Kulturkritikerin Camille Paglia, eine im Gegensatz zu Moore echte Nonkonformistin, die für ihre politischen Querschläge berühmt-berüchtigt ist. Sie gilt seit Jahren als wahre Hillary-Hasserin und rühmte bereits im März Trumps „erfrischende Offenheit“, „Furchtlosigkeit“ und „ungestüme Energie“.
Die vormalige Unterstützerin von Bernie Sanders äußerte in einem Interview mit dem Spectator, Hillary sei ein „Desaster“, und hätte nichts geleistet, außer „Nordafrika zu destabilisieren“ und damit „eine Flut von Flüchtlingen nach Italien“ loszutreten. Wie Moore äußert sie sich zwar nicht explizit Pro-Trump, aber ihre Begeisterung für die Aussicht, seine Wahl könnte das System komplett umkrempeln, ist offensichtlich:
„Wenn Hillary gewinnt, wird sich nichts ändern. Sie kennt die Bürokratie, all die Ämter der Regierung und das macht sie gerne, hinter den Kulissen sitzen und die Hebel der Macht manipulieren.“ (…)
Paglia sagt, sie habe keine Ahnung, wie die Wahl ausgehen wird: „Aber die Leute wollen Veränderung und sie haben die Nase voll vom Establishment. (…) Diese Vorstellung, daß Trump so eine große Gefahr für die westliche Zivilisation sei – das hat man schon oft über Präsidenten vorausgesagt, und nichts ist jemals passiert – wenn allerdings Trump gewinnt, dann wird das ein erstaunlicher Moment der Veränderung sein, denn es würde die Machtstrukturen der republikanischen Partei, die Machtstrukturen der demokratischen Partei und die Macht der Medien zerstören. Es wäre ein unglaublicher Ausbruch an Energie… in einer Zeit der internationalen Spannungen und Krisen.“
Plötzlich wirkt die Professorin aufgeregt. Vielleicht hofft Paglia, wie alle Radikalen auf der Suche nach Wahrheit, immer noch auf die kommende Revolution.
Die alte Löwin auf dem Trump-Train! Der Trump-Train als Weg zur Revolution! Herrlich!
Trumps Sieg würde zweifellos auch die anti-globalistisch-populistisch-nationalstaatlichen Kräfte in Europa stärken. Er würde zeigen, daß ein Durchbruch in die Blase des Machtkartells und der „blinden Eliten“ (Christopher Lasch) möglich ist. Wie Trumps Rede von West Palm Beach zeigt, befinden wir uns in den wesentlichen Dingen in ein- und derselben Frontstellung. Dürfen wir soviel „Hope“ auf „Change“ haben? Bleiben wir skeptisch – auch gegenüber der Person Trumps!- aber dennoch optimistisch.  Martin Lichtmesz






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